Insolvenz der Fluggesellschaft Deine Rechte, wenn die Airline pleitegeht
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Es passiert immer wieder: Fluggesellschaften verschwinden von der Bildfläche und hinterlassen geprellte Kunden. Die Pleite von Air Berlin im Jahr 2017 betraf mehr als eine Million Flugreisende. Während im Corona-Jahr 2020 einige Airlines mit Staatsgeldern gestützt wurden, stellten über 20 andere ihren Betrieb ein. Für Fluggäste ist die Insolvenz der Fluggesellschaft besonders schlimm, denn Flüge werden lange im Voraus bezahlt.
Nicht jeder Fluggast hat im Fall der Insolvenz die gleichen Rechte. Ob Du Dein Geld zurückbekommst oder ob sich jemand um einen Ersatzflug kümmert, hängt entscheidend von zwei Fragen ab:
Immer dann, wenn Du Deinen Flug über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht hast, sind im Fall der Insolvenz der Fluggesellschaft die Chancen größer, einen Ersatzflug zu organisieren oder den Reisepreis zurückzubekommen.
Immer wenn Du einen Flug direkt bei der Airline buchst, musst Du ihn sofort bezahlen – Du gehst also in Vorleistung. Muss die Fluggesellschaft Insolvenz anmelden, stellt sie meist unverzüglich den Flugbetrieb ein. Du hast gezahlt, bekommst aber keinen Flug dafür.
Wenn Du Dein Ticket direkt gebucht hast und wegen der Insolvenz im Urlaub gestrandet bist, hast Du keinen Anspruch auf Ersatzbeförderung. Es ist aber möglich, dass andere Airlines den Auftrag bekommen, die gebuchten Flüge durchzuführen. Die Kosten für einen Ersatzflug musst Du selbst tragen – es gibt häufig günstigere Konditionen für gestrandete Reisende.
Tickets, die Du direkt bei der Airline gebucht hast, verlieren ihre Gültigkeit, sobald das Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt hat. Dein Geld bekommst Du nicht zurück, denn eine Erstattung ist aus insolvenzrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Du hast nur die Möglichkeit, Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzumelden.
Der Insolvenzverwalter treibt noch offene Forderungen ein und verteilt dann alles unter den Gläubigern, zu denen Du auch gehörst. In der Regel kannst Du Dein Geld in einem solchen Fall abschreiben. Am Ende des Insolvenzverfahrens gibt es vielleicht eine Quote, eventuell ein paar Cents oder aber gar nichts zurück.
Hast Du das Flugticket mit einer Kreditkarte bezahlt, kannst Du das Geld zurückfordern – in den Richtlinien der Kreditkarten-Anbieter Visa und Mastercard heißt das Chargeback. Dazu gibt es keine gesetzliche Grundlage, aber eine vertragliche in den jeweiligen Kreditkarten-Bedingungen.
Bei Mastercard steht es im Chargeback-Guide (Seite 49 ff. Goods or Services Not Provided). Bei Visa finden sich die entsprechenden Hinweise in den Visa Rules (Seite 688 ff. Merchandise / Services Not Received).
Beim Chargeback-Verfahren musst Du drei Dinge beachten:
Wer seinen Flug mit Paypal gezahlt hat, kann den Paypal-Käuferschutz auslösen. Das ist eine besondere Sicherheit, die das Unternehmen seinen Kunden bietet. Der Ticketpreis wird unabhängig davon erstattet, ob Paypal den Erstattungsbetrag zurückfordern kann. Die Details finden sich in der Käuferschutz-Richtlinie.
Der Paypal-Käuferschutz hat einigen Verbrauchern geholfen, deren Flug im Rahmen einer Insolvenz storniert wurde. Paypal hat das Geld unproblematisch zurückgebucht.
Um von Paypal eine Erstattung zu bekommen, musst Du Dich innerhalb von 180 Tagen nach Buchung des Tickets melden, indem Du in Deinem Paypal-Konto unter „Konfliktlösungen“ einen Antrag auf Käuferschutz stellst.
Hast Du Dein Flugticket mit einer Sepa-Lastschrift gezahlt, kannst Du den Betrag acht Wochen lang zurückbuchen lassen (§ 675x Abs. 4 BGB). Du kannst das Geld direkt über Deinen Online-Banking-Zugang zurückbuchen, zum Beispiel mit der Funktion „Lastschrift zurückgeben“. Oft wird die entsprechende Möglichkeit direkt neben den Daten zur Lastschrift bei der Umsatzliste des Girokontos angezeigt. Einen Grund musst Du nicht angeben.
Wenn Du eine Pauschalreise mit Flug und Hotel buchst, musst Du bei der Buchung nur eine Anzahlung leisten und nicht sofort den gesamten Reisepreis bezahlen.
Falls Du den Flug im Rahmen einer Pauschalreise gebucht hast, kannst Du Dich an Deinen Reiseveranstalter wenden und eine Ersatzbeförderung verlangen. Passt die Alternative nicht, kannst Du den Reisevertrag in der Regel ohne Stornokosten kündigen. Deine Rechte bei einer Ersatzbeförderung haben wir zusammengefasst im Ratgeber Flugzeitenänderung bei Pauschalreisen.
Finanziell erleidest Du als Pauschalreisende in der Regel keinen Verlust, wenn die Airline Insolvenz anmeldet. Du hast nur dann einen Anspruch gegen den Reiseveranstalter auf Erstattung, wenn Du von der Reise Abstand nimmst. Oft bietet der Veranstalter eine kostenlose Stornierung an oder Du kannst kündigen, wenn der Ersatzflug unzumutbar ist.
Als Alternative kannst Du den Reisepreis mindern, wenn der Ersatzflug viel früher oder später startet. Die Preisminderung beträgt nach der sogenannten Frankfurter Tabelle 5 Prozent des Reisepreises pro Tag, falls der Flug sich um mehr als vier Stunden verschoben hat. Für jede weitere Stunde erhältst Du weitere 5 Prozent des durchschnittlichen Tagespreises der Reise zurück.
Wenn Du den Flug über ein Reiseportal oder im Reisebüro, also über einen Vermittler, gebucht hast, solltest Du überprüfen, ob Du nicht wie ein Pauschalreisender geschützt bist.
Nach dem neuen Pauschalreiserecht sind Vermittler seit 2018 viel schneller ungewollt Reiseveranstalter. Falls Dein Reisebüro für mehrere Einzelleistungen – etwa Flug und Hotel – einen Gesamtpreis gebildet hat, muss es sich bei Insolvenz der Airline um einen Ersatzflug kümmern (§ 651b BGB).
Auch bei verbundenen Online-Buchungen kann es vorkommen, dass das Portal als Veranstalter haftet. Dazu muss das Portal, bei dem Du ursprünglich zum Beispiel den Flug gebucht hast, Deine Daten an ein anderes Unternehmen gegeben haben, und dann musst Du dort innerhalb von 24 Stunden eine weitere Reiseleistung gebucht haben – zum Beispiel ein Hotel oder einen Mietwagen (§ 651c BGB). In diesen Fällen muss sich der Vermittler wie ein Reiseveranstalter um einen Ersatzflug kümmern.
Hast Du nur einen Flug über ein Reisebüro oder ein Online-Portal gebucht, hast Du keine Ansprüche gegen den Vermittler. Ein Vermittler hat den Vertrag nur vermittelt, weitergehende Pflichten hat er nicht. Er muss also auch keinen Ersatzflug organisieren, wenn der Flug ausfällt, weil die Airline pleite gegangen ist.
Wer über einen Vermittler gebucht hat, sollte sich zuerst an den Vermittler wenden. Meist ist dieser über den aktuellen Stand der Insolvenz informiert und hilft, den Ticketpreis zurückzufordern. Hast Du dem Vermittler den Preis für das Flugticket gezahlt, und hat dieser das Geld noch nicht an die Fluggesellschaft weitergeleitet, muss er es Dir erstatten.
Hast Du das Ticket mit einer Kreditkarte bezahlt, solltest Du auf jeden Fall bei Deiner Bank den Kreditkarten-Umsatz reklamieren. Anders als bei einer Direktbuchung kann es passieren, dass der Vermittler dem Chargeback widerspricht. Dann hast Du schlechte Karten.
Im Fall der Air-Berlin-Insolvenz berichteten uns Leser, dass sie das Geld nach einem Chargeback zurückbekommen haben. Dann gab es aber Ärger mit dem Reisevermittler. Der verlangte vom Kunden, erneut zu zahlen, obwohl klar war, dass der Flug gar nicht mehr stattfinden würde.
Selbst wenn Du über das Chargeback-Verfahren Dein Geld für die gestrichenen Flüge zurückbekommst, ist es rechtlich umstritten, ob Du das Geld auch behalten darfst, falls der Vermittler es von Dir zurückfordert. Das Landgericht Mannheim urteilte im Sinne des Flugvermittlers. In dem Fall hatte der Verbraucher über ein Reiseportal Flüge von Frankfurt nach Bangkok gebucht, die wegen der Corona-Pandemie annulliert wurden. Über ein Chargeback holte sich der Verbraucher das Geld zurück – es ging immerhin um mehr als 13.000 Euro. Daraufhin forderte der Reisevermittler die Summe zurück. Das Gericht entschied für das Unternehmen. Denn das vermittelnde Reisebüro muss nicht für die die Durchführung des Fluges einstehen, es hat Anspruch auf Ersatz der verauslagten Ticketkosten (LG Mannheim, 17.03.2022, Az. 15 O 106/21). Das Urteil ist rechtskräftig.
Im Fall einer Insolvenz der Airline ist das Chargeback-Verfahren aus unserer Sicht möglich, wir halten es auch nicht für rechtsmissbräuchlich. Das bietet aber keine Garantie dafür, dass Du die Erstattung auch behalten darfst. Sollte der Vermittler klagen, kann es passieren, dass er vor Gericht Recht bekommt. Dann ist nicht nur das Geld für den Flug weg, sondern es kommen auch noch Gerichts- und Anwaltskosten hinzu. Ohne Rechtsschutzversicherung solltest Du Dir genau überlegen, ob Du das Kostenrisiko eines verlorenen Gerichtsprozesses eingehen willst.
Stehen Dir wegen einer Flugverspätung oder Flugannullierung Ausgleichszahlungen zu, hast Du bei der Insolvenz der Fluggesellschaft das Nachsehen. Das gilt auch für Forderungen, weil Gepäck verloren gegangen ist. Bei Flügen, die von einer bereits im Insolvenzverfahren befindlichen Airline nur noch aus Kulanz durchgeführt werden, bestehen keine Ansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung (OLG Frankfurt a.M., 20.07.2022, Az. 13 U 280/21).
Sind die Forderungen entstanden, bevor das Unternehmen die Insolvenz beantragt hat, kannst Du die Forderungen nur am Ende des Insolvenzverfahrens allenfalls mit einem großen Abschlag bekommen. Dazu musst Du Deine Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden.
Auch Reisende, die bereits einen Fluggasthelfer beauftragt haben, der im Inkasso-Modell arbeitet, sehen in aller Regel keinen Euro mehr, wenn die Airline nach dem verspäteten Flug Insolvenz anmeldet. Das kann besonders ärgerlich sein, wenn es dem Unternehmen möglich gewesen wäre, schneller zu arbeiten.
Bessergestellt sind Reisende, die einen Sofortentschädiger gewählt haben. Sie bekommen ihr Geld sofort vom Unternehmen zurück. Selbst im Fall einer späteren Insolvenz der Airline, muss der Fluggast seine Entschädigung nicht zurückzahlen.
Verbraucher sollten nicht länger die Leidtragenden sein, wenn Fluggesellschaften pleitegehen. Es gibt viele Ideen, wie Kunden besser geschützt werden könnten. Der Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz erörterte im März 2019 das Thema. Dazu gab es interessante Stellungnahmen von Sachverständigen.
Die meisten Experten sind sich einig: Fluggäste sind nicht ausreichend geschützt bei Insolvenzen. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft lehnt eine weitergehende Insolvenzabsicherung von Luftfahrtunternehmen ab. Das sei eine Form von Überregulierung und würde wie eine nationale Wettbewerbsverzerrung wirken.
Es werden drei Möglichkeiten diskutiert, wie das Ausfallrisiko bei der Insolvenz einer Fluggesellschaft gerechter verteilt werden kann.
Flugreisende buchen ihre Flüge oft Monate im Voraus. Diese Zahlungen sind aber im Fall einer Insolvenz nicht geschützt. Auch der Bundesgerichtshof hat dafür keine Veranlassung gesehen. Das Insolvenzrisiko sei für die Verbraucherinnen und Verbraucher dadurch gemindert, dass die Fluggesellschaften staatlicher Aufsicht unterliegen (BGH, 16.02.2016, Az. X ZR 97/14). Diese staatliche Aufsicht funktioniert allerdings nicht so, dass Insolvenzen verhindert werden.
Es ist besser, wenn Reisende bei der Buchung eines Fluges nur eine Anzahlung leisten und erst später den vollen Ticketpreis – wie das bei Pauschalreisen auch der Fall ist. Das ist die leichteste Art, das Risiko der Insolvenz einer Fluggesellschaft gerecht zu verteilen.
Ein anderer Ansatz sieht vor, dass Fluggesellschaften die eingezahlten Gelder für den Fall der Insolvenz versichern sollen. Möglich wären Sicherungsscheine für Flüge, wie das auch bei den Pauschalreisen vorgeschrieben ist. Die Tickets werden dadurch wahrscheinlich teurer, und es würde mehr Dokumente und mehr Informationen geben. Der Fluggast hätte aber direkte Ansprüche gegen das Unternehmen, das die Kundengelder absichert – wie bei der Pauschalreise (§ 651r BGB). Vorauszahlungen dürfte die Airline genau wie bei der Pauschalreise nur gegen einen Sicherungsschein verlangen (§ 651t BGB).
Denkbar ist auch eine freiwillige Lösung: Der Verbraucher entscheidet, ob er für den Insolvenzschutz zahlen will oder nicht. Will er sich gegen das Insolvenzrisiko schützen, kann er eine entsprechende Insolvenzversicherung für den Ticketpreis und die Rückbeförderung abschließen. Die springt dann ein, falls die Airline pleitegeht.
Mit dieser Lösung ist es den Fluggästen überlassen, einzuschätzen, ob die Airline auf finanziell sicherem Boden steht. Für die freiwillige Absicherung zahlen allein die Fluggäste. Das ist keine gerechte Verteilung des Risikos. Außerdem gibt es solche Versicherungsprodukte bereits. Sie scheinen nur gerade nicht von denen abgeschlossen zu werden, die den Schutz benötigen.
Wer als Reisender bei einer Fluggesellschaft sein Ticket gebucht hat, die Insolvenz anmelden muss, braucht schnell Informationen, wie es weitergeht. In aller Regel finden sich aktuelle Hinweise entweder auf der Website der Airline oder auf der Website des jeweiligen Insolvenzverwalters.
insolvente | Datum des Insolvenzantrags | Insolvenzverwalter | Informationen |
---|---|---|---|
Air Berlin | 15. August 2017 | Lucas F. Flöther | |
Germania | 4. Februar 2019 | Rüdiger Wienberg | |
Condor | 1. Dezember 2019 | Lucas F. Flöther | Infoportal des Insolvenzverwalters |
Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: Juni 2022)
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