Flugverspätung Entschädigung
Wie viel Entschädigung Dir bei einem verspäteten Flug zusteht

Finanztip-Expertin für Recht
Schon mal erlebt? Du hetzt zum Flughafen, gibst Dein Gepäck auf, checkst ein und dann sitzt Du eine gefühlte Ewigkeit im Boarding-Bereich, weil sich der Abflug verzögert. Das ist ärgerlich, aber in vielen Fällen hast Du Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro. Wir erklären Dir, wie viel Dir zusteht und wie Du Deine Rechte am besten durchsetzt.
Hat sich Dein Flug um mehr als drei Stunden verspätet, kannst Du von der Fluggesellschaft Geld bekommen, wenn Du in einem europäischen Land gestartet bist. Das Gleiche gilt, wenn Du in einem EU-Mitgliedstaat gelandet bist und die Airline ihren Sitz in Europa hat. Für diese Flüge gilt die europäische Fluggastrechteverordnung.
Wichtig: Bei einer Verspätung von mindestens zwei Stunden muss die Fluggesellschaft jedem Fluggast schriftliche Informationen über die Voraussetzungen und Höhe der ihm grundsätzlich zustehenden Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung aushändigen. Der Reisende muss diese Informationen auch nicht erst anfordern. Informiert die Airline nicht, muss sie außergerichtliche Anwaltskosten übernehmen (BGH, Urteil vom 1. September 2020, Az. X ZR 97/19).
Um eine Entschädigung zu bekommen, musst Du den verspäteten Flug nicht angetreten haben. Das hat das Amtsgericht Hamburg entschieden. Die beklagte Fluggesellschaft hatte dem Passagier am Flughafen vor dem Abflug mitgeteilt, dass sich die Maschine verspäten und deshalb erst am nächsten Tag fliegen werde. Der Fluggast verzichtete auf den Flug, hatte aber Anspruch auf den Ausgleichanspruch (AG Hamburg, Urteil vom 26. April 2016, Az. 12 C 328/15).
Die Fälle mit verpasstem Anschlussflug sind meist besonders kompliziert. Falls Du aufgrund einer Verspätung Deinen Anschlussflug verpasst und deshalb verspätet ankommst, kannst Du einen Anspruch auf Ausgleichszahlung haben. Das gilt auch für den Fall, dass der Anschlussflug außerhalb von Europa stattfand. Allerdings musst Du die Flüge zusammen gebucht haben (EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, Az. C‑537/17).
Hat sich Dein Flug um höchstens vier Stunden verspätet, darf die Airline die Entschädigung um 50 Prozent kürzen (Art. 7 Abs. 2c Flug-VO).
Wichtig: Auch wenn der Flug schon etwas zurückliegt, kannst Du Deine Ansprüche noch geltend machen. Nach deutschem Recht verjähren Deine Ansprüche nach der regelmäßigen Verjährungsfrist erst nach drei Jahren zum Ende des Kalenderjahres.
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Nutze unseren Rechner, um einschätzen zu können, was Dir bei einer Flugverspätung zusteht. Am Ende bekommst Du einen Überblick, welche Ansprüche Du wahrscheinlich hast. Du kannst Dir ein PDF-Dokument mit dem ausführlichen Ergebnis und einem angepassten Musterschreiben herunterladen.
Wende Dich immer an das ausführende Luftfahrtunternehmen. Dabei handelt es sich um das Unternehmen, das für eine bestimmte Flugroute ein Angebot gemacht hat. Damit trägt es die Verantwortung für den Flug, auch bei einer großen Verspätung. Chartert also eine Fluggesellschaft einen Flieger samt Besatzung, bleibt sie in der Verantwortung – auch bei Verspätungen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2018, Az. C-532/17).
Als Vorlage haben wir ein Musterschreiben für Flugverspätung erstellt.
Kopiere die Textfelder in Dein Briefdokument oder trage die entsprechenden Daten im ausgedruckten Formular ein. Wähle die Entschädigung aus, die Dir entsprechend der Flugstrecke zusteht. Wenn der Flieger mindestens fünf Stunden Verspätung hatte und Du die Reise nicht angetreten hast, kannst Du Dir die Flugkosten erstatten lassen. Trage den Ticketpreis in diesem Fall unter Punkt 2 ein. Weitere entstandene Kosten, zum Beispiel für Verpflegung während der Wartezeit, kannst Du unter Punkt 3 eintragen. Setze eine Frist von zwei Wochen. Unterschreibe das Dokument und schicke es per Post als Einwurf/Einschreiben an die ausführende Fluggesellschaft.
Distanz ermitteln - Die Entfernung zwischen Abflugort und Zielflughafen ist nach der Methode der Großkreis-Entfernung zu bestimmen. Damit lässt sich die kürzeste Flugverbindung ermitteln (Art. 7 Abs. 4 VO). Einen Rechner für die Flugstrecke findest Du zum Beispiel unter luftlinie.org oder airmilescalculator.com, der auch ein Ergebnis bei ein oder zwei Zwischenstopps berechnet.
Wichtig: Bei einem Zwischenstopp darfst Du die einzelnen Teilstrecken nicht addieren (EuGH, Urteil vom 7. September 2017, Az. C-559/16). So schreibt es auch die Europäische Kommission in ihren Leitlinien für die Auslegung der Fluggastrechteverordnung (Seite 21). Die Höhe der Ausgleichszahlung bemisst sich bei einem Flug mit Anschlussflug nach der Luftlinienentfernung zwischen Start- und Zielflughafen und nicht nach der tatsächlich zurückgelegten Strecke.
Verspätung herausfinden - Du hast erst Anspruch auf Entschädigung, wenn sich Dein Flug um mindestens drei Stunden verspätet. In aller Regel wissen Fluggäste sehr genau, wieviel Verspätung ihr Flug hatte. Als Ankunft zählt das Öffnen von mindestens einer Tür, sobald die Passagiere das Flugzeug auch verlassen können (EuGH, Urteil vom 4. September 2014, Az. C-452/13).
Eine Fluggesellschaft muss nichts zahlen, wenn die Verspätung auf außergewöhnlichen Umständen beruht. Darunter verstehen die Gerichte Ereignisse, die die Fluggesellschaft nicht beherrschen kann und die nicht Teil des normalen Flugbetriebs sind. Ein technischer Defekt ist keine Ausrede (EuGH, Urteil vom 19. November 2009, Az. C 402/07 u.a.).
Wetter - Extrem schlechtes Wetter, Nebel, Stürme oder Schneefall können außergewöhnliche Umstände sein, wenn sie zu Verspätungen führen. Fluggesellschaften behaupten manchmal aber einfach, es sei schlechtes Wetter gewesen, für das die Airline nichts könne. Das schlechte Wetter muss sich immer auf den gebuchten Flug beziehen. Ein Hurrikan drei Tage vor dem geplanten Flug ist kein außergewöhnlicher Umstand mehr. Die Fluggesellschaft ist in der Beweispflicht.
Sicherheitsrisiken - Auch politische Instabilität und unvermeidbare Sicherheitsrisiken sind Beispiele für außergewöhnliche Umstände.
Vogelschlag - Beruht die Verspätung auf einem Zusammenstoß mit Vögeln, liegt grundsätzlich ein außergewöhnlicher Umstand vor (BGH, Urteil vom 24. September 2013, Az. X ZR 160/12). Aber nach einem Vogelschlag muss die Airline alles tun muss, um eine weitere Verspätung zu verhindern (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2017, Az. C-315/15). Inspektionen und Reparaturen müssen zügig erfolgen. Auch wenn der Vogelschlag selbst ein außergewöhnlicher Umstand ist, kann Passagieren unter Umständen eine Entschädigung zustehen, wenn der Weiterflug unnötig verzögert wird.
Maus an Bord - Führt eine Maus im Flugzeug dazu, dass sich die Maschine um mehr als drei Stunden verspätet, steht den Fluggästen grundsätzlich eine Entschädigung zu. Die Fluggesellschaft kann sich nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen (AG Frankfurt, Urteil vom 20. April 2017, Az. 30 C 2105/16).
Streik - Ein Streik der Piloten oder Fluglotsen gilt als außergewöhnlicher Umstand, sodass die Fluggesellschaft nicht zahlen muss. Aber nicht jeder Streik lässt automatisch Ausgleichszahlungen entfallen (EuGH, Urteil vom 17. April 2018, Az. C-195/17 u.a.). Es hängt immer vom Einzelfall ab, ob der Streik dem normalen Geschäftsbetrieb zuzuordnen ist oder die Situation für die Fluggesellschaft beherrschbar war.
Unser Rat: Fordere auch bei einem Streik eine Ausgleichszahlung. Die Airline muss beweisen, dass es sich bei dem konkreten Streik um einen außergewöhnlichen Umstand gehandelt hat.
Wilder Streik - Im Herbst 2016 meldeten sich bei Tuifly viele Mitarbeiter krank, nachdem das Management angekündigt hatte, das Unternehmen umzustrukturieren. Die Fluggesellschaft konnte die Mitarbeiter kurzfristig nicht ersetzen und musste zahlreiche Flüge streichen oder es kam zu großen Verspätungen. Die Airline lehnte jegliche Ausgleichszahlungen ab, da es sich um einen wilden Streik gehandelt habe. Zu Unrecht. Die Krankheitswelle bei Tuifly war kein außergewöhnlicher Umstand (EuGH, Urteil vom 17. April 2018, Az. C-195/17 u.a.).
Computerausfall am Terminal - Fallen alle Abfertigungssysteme und Computer an einem Flughafen-Terminal aus, muss die Fluggesellschaft keinen Ausgleich zahlen, falls sich der Flug deshalb verspätet hat. Dafür kann die Airline nichts, sie darf sich auf außergewöhnliche Umstände berufen (BGH, Urteile vom 15. Januar 2019, Az. X ZR 15/18 und X ZR 85/18).
Sollte die Fluggesellschaft Deine Forderungen zurückweisen, benötigst Du Unterstützung. Es gibt verschiedene Wege, um zu Deinem Recht zu kommen.
Hat die Airline Deine Forderung abgelehnt, kannst Du Dich kostenlos an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden. Bevor Du die Schlichtungsstellen einschaltest, musst Du vorher versucht haben, das Problem mit der Fluggesellschaft selbst zu klären. Geschäftsreisende können sich nicht an die Schlichtungsstelle wenden. Die SÖP gibt eine Empfehlung zur Schlichtung. Der Schlichtungsspruch ist aber nicht bindend. Den Schlichtungsantrag kannst Du online stellen.
Möchtest Du Dich nicht selbst mit der Airline herumärgern, kannst Du Dich an einen Sofortentschädiger wenden. Das ist ein Unternehmen, das Dir das Geld sofort überweist und für seine Arbeit zwischen 30 und 42 Prozent von der Entschädigung einbehält.
Anders als die Sofortentschädiger setzen die Fluggasthelfer-Portale Deine Ansprüche in aller Regel im Inkasso-Modell durch. Du bekommst Deine Entschädigung erst, wenn das Unternehmen das Geld von der Fluggesellschaft bekommen hat. Das kann dauern. Dafür behalten solche Firmen bei Erfolg einen Anteil zwischen 25 und 35 Prozent von der Ausgleichszahlung.
Wir haben zwölf Unternehmen unter die Lupe genommen, drei davon empfehlen wir: flug-verspaetet.de, SOS Flugverspätung, EUClaim oder Claim Flights. Wie wir bei unserer Analyse genau vorgegangen sind, liest Du im Ratgeber Fluggasthelfer.
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Wenn sich Dein Flug verspätet, muss die Airline Dich auch betreuen und verpflegen. Die Betreuungspflicht beginnt
Die Fluggesellschaft muss den Fluggästen Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit anbieten. Müssen die Reisenden zum Beispiel einen halben Tag warten, ist eine warme Mahlzeit angemessen.
Bietet Dir die Airline nichts an, kannst Du Dir etwas zu essen und zu trinken kaufen und die Rechnung später bei der Airline einreichen.
Verschiebt sich der Abflug auf den nächsten Tag, muss die Airline die Übernachtung in einem Hotel übernehmen sowie den Transport zwischen Flughafen und Hotel.
Musst Du Dir selbst ein Hotelzimmer suchen oder mit dem Bus, Taxi oder Mietwagen fahren, weil die Fluggesellschaft Dir nichts anbietet, kannst Du die Erstattung der Kosten als Schadensersatz verlangen. Denn die Fluggesellschaft ist ihren Pflichten zur Betreuung nicht nachgekommen (§§ 280, 249 BGB). Bewahre unbedingt alle Belege auf. Die Kosten kannst Du zusätzlich zur pauschalen Entschädigung verlangen.
Denn Ausgleichsleistungen dürfen mit Schadensersatzansprüchen, die entstanden sind, weil die Fluggesellschaft ihre Betreuungspflichten verletzt hat, nicht verrechnet werden. Die Ansprüche auf Ausgleichzahlung und Betreuung bestehen nebeneinander. Das gilt auch für den Erstattungsanspruch, wenn die Airline ihre Betreuungspflichten verletzt.
Im Zeitraum von Mai bis September 2019 haben wir sogenannte Legal-Tech-Unternehmen untersucht, die Fluggastrechte gegen die Airlines durchsetzen: Sofortentschädiger und Inkasso-Dienstleister. Alle hier empfohlenen Rechtsdienstleister haben unsere Testkriterien erfüllt. Sie verfügen über ausreichende Erfahrung, haben eine transparente Kostenstruktur und verwenden verbraucherfreundliche Allgemeine Geschäftsbedingungen. Mehr dazu erfährst Du im Ratgeber Fluggasthelfer.
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