Beratungsprotokoll Das Fazit Deines Bank-Beratungsgesprächs
Finanztip-Experte für Bank und Börse
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Man trifft sich immer zweimal. Bei manchen Bankberatern und ihren Kunden findet das zweite Treffen vor Gericht statt. Dann geht es meist um Falschberatung. Doch egal, ob der Berater gut beraten oder seinen Kunden hochriskante Zertifikate angedreht hat: Die Beweislast liegt beim Kunden. Und eine Falschberatung zu beweisen, besonders Jahre nach dem Gespräch, kann äußerst schwierig sein.
Der Gesetzgeber will Anlegern bei einem Rechtstreit den Rücken stärken. Deshalb muss die Bank Dir nach dem Termin eine sogenannte Geeignetheitserklärung aushändigen. Sie hat das Beratungsprokoll abgelöst, das es bis 2018 gab, dient aber – obwohl sie offiziell anders heißt – immer noch als Zusammenfassung Eures Gesprächs.
Seit 2018 musst Du vor dem Kauf von Wertpapieren wie Fonds, Aktien, Zertifikaten und Anleihen eine Geeignetheitserklärung erhalten – für Festgeld und Tagesgeld greift die Regelung nicht. Dazu wurden Bankberater, Onlinebanken und Broker im Rahmen der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) verpflichtet. In diese Erklärung schreibt der Berater, warum zum Beispiel der Fonds oder ETF, den Du kaufen möchtest, auch zu Deinen Anlagezielen, Vorkenntnissen und Risikovorstellungen passt. Der Gedanke dahinter: Die Geeignetheitserklärung soll eine Entscheidungshilfe für Anleger und ein Beweismittel bei einer möglichen Falschberatung sein sowie die Beratungsqualität verbessern.
Bei Onlinebanken und Brokern läuft es etwas anders: Wenn Du Dein Depot eröffnest, hinterlegst Du im persönlichen Bereich einmal bestimmte Angaben, unter anderem zu Vorkenntnissen und Risikotoleranz. Solltest Du dann ein Wertpapier ordern, das diesen Zielen nicht entspricht, muss die Bank oder der Broker aktiv vor dem Geschäft warnen. Seit 2020 müssen auch Finanzanlagenvermittler eine Geeignetheitserklärung anfertigen und vor einer Transaktion dem Kunden übergeben (§ 18 FinVermV).
Die Geeignetheitserklärung ist der direkte Nachfolger des Beratungsprotokolls, das es seit 2010 gab. Dieses dokumentierte den Verlauf und Inhalt des Beratungsgesprächs zwischen Dir und dem Berater. Auch bei der Geeignetheitserklärung wird der Verlauf und Inhalt erfasst, aber im Gegensatz zum Beratungsprotokoll fokussiert sich die Erklärung auf das Ergebnis des Gesprächs. Im Mittelpunkt stehen eher Deine Erfahrungen und Kenntnisse mit Wertpapieren sowie Deine finanziellen Verhältnisse. Anhand dieser Informationen muss dann der Berater erkennen, welche Wertpapiere zu Dir und Deiner finanziellen Situation passen.
Die Informationen, die der Berater vermerken muss, sind im Wertpapierhandelsgesetz festgelegt (§ 64 Abs. 3 WpHG). Es gibt jedoch keine Mustervorlage, an die sich die Berater und Banken halten müssen. Stattdessen entwickeln die Anbieter eigene Formulare, über die ihre Mitarbeiter die vorgegebenen Punkte abarbeiten:
Der Berater muss Deine finanziellen Verhältnisse, zum Beispiel Einkünfte, vorhandenes Vermögen und finanzielle Verpflichtungen dokumentieren. Außerdem gehört in die Erklärung, für welchen Zweck Du das Geld anlegen willst, wie lang der Anlagezeitraum ausfallen kann und wie viel Risiko Du bereit bist einzugehen. Welche Erfahrungen Du bereits mit Wertpapieren gemacht hast, muss der Berater ebenfalls notieren.
Am Schluss muss er die Produkte angeben, über die er mit Dir geredet hat und welche er Dir empfohlen hat. Darüber hinaus muss in der Erklärung auch die Begründung für die Empfehlung stehen.
Die Begründung ist also das Herzstück im Protokoll Deines Beratungstermins. Die Aufsichtsbehörde Bafin formuliert es so: „Die Geeignetheitserklärung enthält (…) nicht nur die bloße Feststellung, dass ein Finanzinstrument geeignet ist. Das Gesetz fordert ausdrücklich, dass sie auch die Begründung mit einschließen muss, warum das Finanzinstrument geeignet ist – also inwiefern der Berater die Auswahl der Finanzinstrumente auf die Kundenwünsche abgestimmt hat.“ (Hervorhebungen von Finanztip)
Zusätzlich zur Geeignetheitserklärung muss der Berater Dir die „Wesentlichen Anlegerinformationen“ aushändigen, die zum jeweiligen Wertpapier gehören. In diesem Dokument findest Du insbesondere die Gebühren, die Dir entstehen, wenn Du den ETF, den Fonds oder das jeweilige Papier kaufst.
Seit ihrer Einführung wurden die Geeignetheitserklärungen immer wieder in Studien untersucht. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) stellte in ihrer Analyse 2019 zum Beispiel fest, dass 88,7 Prozent der Geeignetheitserklärungen unvollständig sind. Nur in etwa 11,3 Prozent der Erklärungen glichen die Banken die Kundenvorgaben mit den Wertpapiereigenschaften vollständig ab – in 49,4 Prozent der Fälle nur mit einzelnen Eigenschaften. Laut der Bafin führt das fehlerhafte Umsetzen der Geeignetheitserklärungen zu Anlageempfehlungen, die „erheblich bedenklich“ sind.
In einer anderen Studie überprüfte wieder die Bafin 2021 die Beratungsqualität von insgesamt zwölf Banken (Sparkassen, Volksbanken und Privatbanken). Das Ergebnis: In 12 von 36 Beratungsgesprächen wurden den Testkunden keine Informationsdokumente wie die Geeignetheitserklärung und Kosteninformation ausgehändigt – obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist. Auch Angaben von den Testkunden wurden nicht richtig dokumentiert. Das kann dazu führen, dass ein Berater Geldanlagen empfiehlt, die nicht zur tatsächlichen Situation der Kunden passen. Die kleine Stichprobe war zwar nicht repräsentativ, trotzdem nennt die Bafin das Resultat „ernüchternd“.
Politiker, Vertreter von Banken und Verbraucherschützer regen immer wieder Änderungen an der Geeignetheitserklärung an. Doch bis es so weit ist, musst Du mit der Geeignetheitserklärung in der jetzigen Form vorliebnehmen. Damit eine schlechte Erklärung nicht zum Problem wird, solltest Du einige Punkte beachten.
Prüf nach der Übergabe, ob die Angaben in der Erklärung vollständig und richtig sind. Achte zum Beispiel darauf, dass Deine Risikoneigung richtig dargestellt wird.
Wenn Informationen fehlen oder Du Fehler bemerkst, solltest Du auf Änderungen bestehen. Poche auch auf Anpassungen, wenn Du die Produktempfehlung und deren Begründung nicht verstehst. Falls der Berater die Korrekturen verweigert oder Dir die Erklärung nicht aushändigt, schließ das Geschäft besser nicht ab. Es spricht kaum für den Berater, wenn er sich über rechtliche Bestimmungen hinwegsetzt.
Bereite Dich auf das Bankgespräch vor und frage nach, wenn Du etwas nicht verstehst. Sonst spiegelt die Erklärung vielleicht das Gespräch, aber nicht Deine Situation wider. Falls Dein Berater Dir auch auf Nachfrage das Produkt nicht richtig erklärt, solltest Du ohnehin die Finger davonlassen. Denn entweder versteht es der Berater selbst nicht oder er will Dir Informationen vorenthalten.
Lass Dich nicht vom Berater drängen. Nimm Dir die Zeit, die Du für die Kontrolle brauchst. Du kannst die Erklärung auch mitnehmen und zuhause lesen, bevor Du das Geschäft abschließt.
Unterschreib die Erklärung nicht, auch wenn sie korrekt erscheint. Deine Unterschrift ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Du musst also nicht unterschreiben.
Wenn Du Dich auf das Gespräch vorbereitest, kannst Du die Informationen, die in die Erklärung gehören, schon für Deinen eigenen Fall dokumentieren. Nach dem Gespräch trägst Du die Empfehlungen samt Begründung nach. Ein solches Gedächtnisprotokoll könnte Dir in einem Rechtstreit helfen. Denn dann hast Du die Einzelheiten der Beratung schriftlich festgehalten und musst Dich nicht nach Jahren auf Deine Erinnerungen verlassen.
Falls ein Zeuge bei der Beratung dabei ist und Deine Angaben in die Geeignetheitserklärung erfasst, hast Du eine Aussage, die Deine Sicht der Dinge bestätigt. Dein Zeuge kann dann vor Gericht auf diese Erklärung verweisen. Denn im Rechtstreit musst Du beweisen, dass es eine Falschberatung gab, es steht dann Deine Aussage gegen die des Bankberaters.
Du kannst Deine Erklärung auch am Ende mit dem Berater durchgehen. Bereits zu diesem Zeitpunkt fallen unter Umständen Missverständnisse auf.
Tipp: Du kannst Dich in strittigen Fällen auch bei der Bafin unter folgender Adresse beschweren: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Graurheindorfer Straße 108, 53117 Bonn.
Die Bafin nutzt die Beschwerden nach eigenen Angaben als Aufsichtsinstrument. Sie kann gegenüber Banken, die sich nicht an die Vorschriften halten, Bußgelder aussprechen. Der Behörde geht es vor allem um aufsichtsrechtliche Mängel. Die Einzelfälle kann sie nicht rechtsverbindlich entscheiden.
Auch bei einer Telefonberatung erhältst Du eine Geeignetheitserklärung. Sie wird Dir in diesem Fall nach dem Geschäftsabschluss zugeschickt – aber nur beim sofortigen Kauf am Telefon! Beachte: Ein Rücktrittsrecht bei fehlerhafter Dokumentierung, wie es beim Beratungsprotokoll der Fall war, hast Du bei der Geeignetheitserklärung nicht.
Die Geeignetheitserklärung kann Dich nicht vor einer schlechten Beratung schützen. Doch wenn Du die Erklärung richtig nutzt, kann sie Dir zumindest helfen, eine schlechte oder gar eine Falschberatung zu erkennen.
Egal, ob die Erklärung nur aus Textbausteinen besteht, Platz für Kommentare lässt oder ob Du ihren Nutzen anzweifelst: Neben der Erklärung gibt es bei der Anlageberatung einen wichtigeren Punkt. Halt Dich an das Wort des amerikanischen Investors Warren Buffet und investier nie in Geschäfte, die Du nicht verstehst.
Wir erklären Dir in unseren Ratgebern das Wichtigste zu verschiedenen Geldanlage-Themen. Welche Risiken gibt es, welche Produkte bringen Dich weiter? So gehst Du besser vorbereitet in das Beratungsgespräch.
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