Lebensversicherung widerrufen
So forderst Du Deine Beiträge zurück

Finanztip-Expertin für Recht
Fast jeder deutsche Haushalt hat sie: eine Lebensversicherung. Und das, obwohl die Rendite weit hinter dem zurückbleibt, was der Vermittler beim Abschluss vorgerechnet hat. Schuld daran sind: hohe Abschlusskosten und schlechte Anlagerenditen. Etwa die Hälfte der Verträge werden vorzeitig beendet. Von einer Kündigung raten wir wegen der hohen Abschläge ab – zurück gibt es dann nur den Rückkaufswert. Mehr Geld gibt es, wenn Du den Vertrag widerrufst und die Rückabwicklung der Lebensversicherung beantragst.
Wer heute eine Lebensversicherung abschließt, dem steht ein Widerrufsrecht zu. Er kann den Vertrag innerhalb von 30 Tagen widerrufen (§ 152 VVG). Bei unvollständiger oder fehlerhafter Vertragsinformation beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen.
Bei Vertragsabschlüssen zwischen dem 29. April 1994 und 31. Dezember 2007 gab es statt einer Widerrufsmöglichkeit ein Widerspruchs- und Rücktrittsrecht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mehrfach für diese Altverträge entschieden, dass Lebensversicherungskunden noch Jahre später ihre Verträge rückabwickeln können, da die Versicherung damals gar nicht oder fehlerhaft über diese Rechte belehrt hatte (Urteil vom 7. Mai 2014, Az. IV ZR 76/11, Urteile vom 29. Juli 2015, Az. IV ZR 384/14, IV ZR 448/14). Diese Möglichkeit, den Vertrag rückabwickeln zu lassen, wird auch Widerrufsjoker genannt.
Eine Rückabwicklung kann sich lohnen, denn bei einem Widerspruch muss der Versicherer regelmäßig wesentlich mehr zurückzahlen als im Fall einer Kündigung. Dann gibt es nur den Rückkaufswert.
Aber: Ein Widerspruch nach vielen Jahren kann rechtmissbräuchlich sein, wenn Du Dich auf einen rein formalen Fehler im Vertrag berufst, der für Dich aber keinen Nachteil bedeutete. Ein Widerspruch ist in diesen Fällen ausgeschlossen (Urteil vom 10. Februar 2021, Az. IV ZR 32/20). Die Erfolgsaussichten für eine Klage auf Rückabwicklung sind deutlich gesunken, da sich mittlerweile viele Landgerichte den Argumenten des Bundesgerichtshofs anschließen und zudem wegen des langen Zeitraums oft Verwirkung annehmen.
Ganz aussichtslos sind solche Streitigkeiten allerdings auch heute nicht; es kommt immer auf den Einzelfall an. Zudem gibt es Zweifel daran, ob der Einwand des Rechtsmissbrauchs oder der Verwirkung überhaupt zulässig sind. Einige Anwälte sehen darin einen Verstoß gegen europäisches Recht. Um diese Frage zu klären, hat das Landgericht Erfurt den Europäischen Gerichtshof angerufen (Beschluss vom 13. Januar 2022, Az. 8 O 1463/20). Die Richter in Luxemburg werden diese Frage klären, wobei noch unklar ist, wann mit einem Urteil zu rechnen ist.
Es geht grundsätzlich um Verträge zu Lebens- und Rentenversicherungen, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 nach dem sogenannten Policen-Modell abgeschlossen wurden. Bei einem Vertragsschluss nach diesem Modell bekam der Versicherte vor oder bei Antragstellung nicht alle erforderlichen Verbraucherinformationen, sondern erst später – mit Ausfertigung der Versicherungs-Police. Nach Vertragsschluss hätte die Versicherung alle Unterlagen zusenden und richtig über das Widerspruchsrecht belehren müssen. Das hat oft nicht funktioniert, so dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begann.
Verträge nach dem Antragsmodell - Wenn Du schon beim Antrag alle Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen bekommen hast, hast Du Deinen Vertrag nach dem sogenannten Antragsmodell abgeschlossen. Dabei gibt es statt eines Widerspruchsrechts ein Rücktrittsrecht. Auch von diesen Verträgen können viele Versicherte noch heute zurücktreten. Entscheidend ist, ob der Versicherer unzureichend belehrt hat. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Belehrung drucktechnisch nicht hervorgehoben war. Wegen dieses Formmangels beginnt die Rücktrittsfrist von 30 Tagen nicht zu laufen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014, Az. IV ZR 260/11, Urteil vom 25. Januar 2017, Az. IV ZR 173/15). Es besteht ein ewiges Rücktrittsrecht.
Lebens- und Rentenversicherungsverträge - Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen fondsgebundenen Vertrag oder einen Vertrag ohne Fondsanlage handelt. Insbesondere auch Riester-Rentenversicherungen (auch Förderrenten genannt) und Rürup-Rentenversicherungen (auch Basisrentenversicherungen genannt) aus dem obigen Zeitraum können Versicherte noch heute rückgängig machen.
Berufsunfähigkeitsversicherungen und Risikolebensversicherungen - Bei diesen Verträgen dürfte ein Widerspruch nur in Ausnahmefällen sinnvoll sein. Zum einen bieten diese Versicherungen in der Regel einen wichtigen Schutz, den Du behalten solltest. Zum anderen sparst Du nur geringe Beträge an. Wenn Du aber der Meinung bist, dass Deine Berufsunfähigkeitsversicherung für Dich nachteilig oder ungeeignet ist und Du vielleicht einen Neuvertrag zu besseren Bedingungen abschließen könntest, dann solltest Du diese Möglichkeit prüfen. Gleiches gilt bei der Risikolebensversicherung.
Laufende, gekündigte und abgelaufene Verträge - Du kannst noch laufende Verträge, grundsätzlich aber auch bereits gekündigte oder regulär abgelaufene Versicherungen durch einen Widerspruch rückabwickeln lassen.
Sofern Du Deinem Vertrag erfolgreich widersprichst, erhältst Du Deine eingezahlten Beiträge zurück. Zusätzlich hast Du Anspruch auf einen sogenannten Nutzungsersatz. Das bedeutet, dass der Versicherer das, was er mit Deinen Beiträgen an Zinsen erwirtschaftet hat, erstatten muss.
Allerdings musst Du der Rechtsprechung zufolge beweisen, dass er tatsächlich aus Deinem Kapital Nutzungen gezogen hat. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs lässt sich zumindest nicht vermuten, dass ein Versicherer Gewinne in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses erwirtschaftet hat (BGH, Urteil vom 11. November 2015, Az. 513/14). Du kannst dementsprechend nicht einfach 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz als Nutzungsersatz verlangen (§ 288 BGB).
Auf den Risikoanteil und die Abschluss- und Verwaltungskosten muss die Versicherung keinen Nutzungsersatz erstatten (BGH, Urteil vom 10. Februar 2016, Az. IV ZR 19/15). Bei den Verwaltungskosten kann das anders sein.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Fall den Nutzungsersatz geschätzt. Es hat die Geschäftsberichte der relevanten Jahre als Grundlage herangezogen und einen durchschnittlichen Zinssatz von 4,02 Prozent angenommen. Bei einem zu erstattenden Betrag von rund 16.000 Euro musste die Versicherung einen Nutzungsersatz von 3.500 Euro zahlen (Urteil vom 23. Oktober 2014, Az. 7 U 54/14).
Bei einer fondsgebundenen Versicherung stellen die aus der Anlage des Sparanteils erzielten Gewinne die tatsächlich gezogenen Nutzungen dar (BGH, Urteil vom 11. November 2015, Az. 513/14). Darüber hinaus musste der Versicherer keine weiteren Zinsen erstatten.
Von den eingezahlten Beiträgen darf das Versicherungsunternehmen einige Positionen abziehen. Was die Gerichte dazu entschieden haben, kannst Du der Tabelle entnehmen.
Rückkaufswert
| Von den geleisteten Beiträgen darf die Versicherung den Rückkaufswert abziehen, den sie bei Beendigung bereits ausgezahlt hat. |
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Risikoanteile
| Der Versicherer darf die sogenannten Risikoanteile abziehen. Das sind die Kosten, die für den Versicherungsschutz anfallen, den Du während der Laufzeit des Vertrags hättest. Das kann ein Todesfallschutz und ein Schutz bei Berufsunfähigkeit sein. |
Steuern | Als Vermögensvorteil darf die Versicherung die abgeführte Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag als Vermögensvorteil gegenrechnen. |
Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: Februar 2022)
Nach der Rechtsprechung gibt es auch Kosten, die das Versicherungsunternehmen nicht von Deinen Einzahlungen abziehen darf. Um welche es sich dabei handelt, findest Du in der Tabelle.
Abschlusskosten | Abschlusskosten darf der Versicherer bei einem Widerspruch nicht abziehen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2015, Az. IV ZR 448/14). |
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Verwaltungskosten | Verwaltungskosten muss der Versicherer erstatten (BGH, Urteil vom 29. Juli 2015, Az. IV ZR 448/14). |
Ratenzahlungszuschlag | Auch ihn darf der Versicherer im Falle eines wirksamen Widerspruchs nicht auf den Kunden umlegen. |
Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: Februar 2022)
Wie viel tatsächlich für Dich bei einem Widerspruch herauskommt, hängt von Deinem Vertrag ab. Zur Veranschaulichung folgt ein konkreter Beispielfall, den der Bundesgerichtshof so entschieden hat. Von den einzahlten Prämien in Höhe von knapp 34.000 Euro bekam der Verbraucher den Rückkaufswert von rund 21.600 Euro. Darüber hinaus musste die Versicherung rund 8.500 Euro zahlen.
Prämienzahlungen | 33.841,79 € |
abzgl. ausgezahlter Betrag | 21.588,70 € |
abzgl. Risikoanteil BU | 3.609,16 € |
abzgl. Risikoanteil Todesfall | 1.816,46 € |
zu erstattende Summe | 6.827,47 € |
zzgl. Nutzungsersatz | 1.668,15 € |
Quelle: BGH (Urteil vom 29. Juli 2015, Az. IV ZR 384/14, Vorinstanz OLG Köln, Urteil vom 5. September 2014, Az. 20 U 77/14)
Ob sich die Rückabwicklung Deiner Lebensversicherung lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Dazu fünf grundsätzliche Aspekte:
Dies betrifft vor allem die Verträge aus den Jahren 2005 bis 2007. Denn diese Verträge haben zum einen nicht mehr das Privileg, in der Auszahlung steuerfrei zu sein. Zum anderen liegt die Anfangsphase, in der die Abschlusskosten abgezogen wurden, noch nicht so lange zurück. Daher ist oft der aktuelle Vertragswert niedriger als die eingezahlten Beiträge, selbst wenn man die Risikobeiträge für den Versicherungsschutz berücksichtigt.
Falls Du einen Riester-Vertrag rückabwickeln willst, werden sowohl die Zulagen als auch die Steuerrückzahlungen abgezogen, die Du über die Jahre erhalten hast. Du musst also aufpassen, wenn Du den aktuellen Vertragswert mit den eingezahlten Beiträgen vergleichst. Dennoch kann es sich unter Umständen auch bei einer Riester-Rentenversicherung lohnen, für diese nachträglich einen Widerspruch durchzusetzen. Denn auch dabei sind in der Regel hohe Abschlusskosten angefallen.
Gerade bei Verträgen aus den 1990er Jahren solltest Du vorsichtig mit einem Widerspruch sein. Oft haben sich diese Verträge trotz der hohen Abschlusskosten schon vernünftig entwickelt. Zudem genießen sie das Privileg einer steuerfreien Auszahlung. Klassische Kapitallebensversicherungen aus dieser Zeit haben außerdem eine hohe Verzinsung im Vergleich zu heute.
Je weniger zusätzlicher Versicherungsschutz in Deinem Vertrag steckt, wie Absicherung gegen Berufsunfähigkeit, Unfallschutz oder im Todesfall, desto eher lohnt sich ein Widerspruch. Den Risikoanteil darf die Versicherung nämlich bei einer Rückabwicklung von den eingezahlten Prämien abziehen.
Ganz vorsichtig solltest Du sein, wenn Dein Vertrag mit einer echten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung kombiniert ist. Das ist der Fall, wenn Du bei Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente ausbezahlt bekommst. Diese Zusatzversicherung kann sehr wichtig sein. Du solltest nur in Ausnahmefällen widersprechen. In vielen Fällen ist es besser, den Beitrag zur Hauptversicherung, also den Sparanteil, zu reduzieren, wenn Du die Lebensversicherung nicht weiter besparen willst.
Am besten gehst Du in vier Schritten vor.
Lass Deinen Vertrag überprüfen. Du kannst Dich an spezialisierte Anwälte wenden. Eine andere Anlaufstelle ist die Verbraucherzentrale Hamburg, die für das Überprüfen der Unterlagen 100 Euro verlangt. Auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bietet für 95 Euro eine rechtliche Überprüfung der Belehrung durch die Kanzlei RHS.
Du solltest genau durchrechnen und bewerten lassen, ob sich bei Deinem Vertrag ein Widerspruch lohnt. Die Bewertung ist nicht leicht. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bietet eine juristische und mathematische Prüfung aller Verträge ohne Berufsunfähigkeitszusatzversicherung für 290 Euro an, mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung kostet der Service 375 Euro.
Lohnt sich der Widerspruch bei Deinem Vertrag, solltest Du widersprechen. Du kannst dazu unseren Musterwiderspruch verwenden. Du solltest ihn als Einwurf-Einschreiben versenden, damit Du einen Beweis in der Hand hältst, dass Du widersprochen hast.
Rechne damit, dass der Versicherer nicht klein beigibt. Die Marktwächter der Verbraucherzentralen mussten feststellen, dass viele Versicherungsunternehmen die Rechtslage ignorieren und die Rückabwicklung ablehnen.
Du kannst Dich kostenlos an den Versicherungsombudsmann wenden und überprüfen lassen, ob der Versicherer zu Unrecht Deinen Widerspruch abgelehnt hat. Die Schlichtungsstelle hat bereits viele Beschwerden zugunsten von Verbrauchern entschieden.
Solltest Du beim Versicherungsombudsmann auf Granit beißen, kannst Du eine Anwaltskanzlei beauftragen. Entweder es gelingt dem Anwalt, sich gütlich mit dem Versicherer zu einigen, oder Du ziehst vor Gericht. Sofern Du eine Rechtsschutzversicherung hast, solltest Du abklären, ob sie die Kosten einer Klage übernimmt.
Aber: Die Erfolgsaussichten sind mittlerweile gesunken. Vermehrt scheitern Klagen, weil viele Instanzgerichte mittlerweile annehmen, dass Verwirkung eingetreten sei. Einige Kanzleien, die wir bisher empfohlen haben, haben sich wegen geringer Erfolgschancen der Verfahren aus diesem Bereich ganz zurückgezogen.
Die folgenden Kanzleien haben sehr viel Erfahrung mit der Rückabwicklung von Lebensversicherungen. Sie haben im Jahr 2021 mindestens ein positives Urteil erstritten und mindestens einen positiven Vergleich erzielt. Warum wir diese Experten empfehlen und wie wir sie ausgewählt haben, liest Du am Ende dieses Artikels.
Mach mit! Teile auch Du Deine Erfahrungen und hilf so der Finanztip-Community, sich ein umfassendes Bild von einem Anbieter zu machen.
Bei Lebens- und Rentenversicherungen, die Kunden zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen haben, gab es eine Besonderheit: Ein Vertrag galt auch dann als abgeschlossen, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) oder eine Verbraucherinformation erst übersandte, nachdem der Kunde den Antrag gestellt hatte. Das nannte sich Abschluss nach Policen-Modell.
Der Versicherte hatte dann ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen; bei Lebensversicherungen betrug die Widerspruchsfrist ab dem 8. Dezember 2004 sogar 30 Tage. Sie begann jedoch erst, wenn dem Versicherten die Vertragsunterlagen vollständig vorlagen und er bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich und deutlich über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden war.
Auch wenn der Versicherer nicht oder nicht ordentlich belehrt hatte, erlosch das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie (§ 5a Absatz 2 Satz 4 VVG a.F.). Diese im Gesetz vorgesehen Jahresfrist hat der Bundesgerichtshof allerdings 2015 gekippt. Er hat zahlreiche Urteile zum Widerspruch von Lebensversicherungen gefällt. Der Versicherte hat nach der Rechtsprechung ein sogenanntes ewiges Widerspruchsrecht, sofern ihn der Versicherer nicht ordentlich belehrt hat.
Dass der Versicherer tatsächlich vergessen hat, Dir eine Widerspruchsbelehrung zuzuschicken, ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber der Blick in die Unterlagen kann sich trotzdem lohnen. Wenn Du der Meinung bist, keine Widerspruchsbelehrung bekommen zu haben, muss der Versicherer nachweisen, dass das doch der Fall war.
Wahrscheinlicher ist, dass die Widerspruchsbelehrung nicht korrekt formuliert ist und einen der folgenden Fehler enthält:
Wenn Du einen solchen Fehler in der Widerspruchsbelehrung findest, hast Du die Chance auf Rückabwicklung des Vertrages.
Der Bundesgerichtshof hat grundsätzlich strenge Anforderungen aufgestellt, bevor ein Versicherungsnehmer nicht mehr widersprechen kann, weil das Recht verwirkt ist. Er lässt Verwirkung auch viele Jahre nach Vertragsende nicht gelten, wenn besondere Umstände für die Treuwidrigkeit des Widerrufs fehlen.
Die Landgerichte und Oberlandesgerichte sind zum Teil jedoch großzügiger und nehmen zugunsten der Versicherer relativ häufig an, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr widersprechen kann. Das hat auch der Versicherungsombudsmann in seinem Jahresbericht 2020 so festgestellt (Seite 23).
Aufgrund einer Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs hat sich an deutschen Gerichten eine sogenannte Wesentlichkeitsprüfung von Mängeln eingebürgert (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019, Az. C-355/18). Dementsprechend halten einige Richter Mängel bei der Belehrung mittlerweile für unerheblich. Unwesentliche, rein formale Mängel führen nicht dazu, dass der Versicherte ewig widersprechen kann.
So hat zum Beispiel das Landgericht Frankfurt entschieden: Der fehlende Hinweis darauf, dass der Widerspruch schriftlich zu erklären ist, führt nicht dazu, dass dem Versicherten die Möglichkeit zum Widerspruch genommen werde. Auch wenn unklar bleibt, ob er in Textform oder Schriftform widersprechen muss, weiß er jedenfalls, dass er seinen Widerspruch rechtzeitig absenden muss, um die Widerspruchsfrist einzuhalten. Der Fehler ist unwesentlich, so dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen ist (Urteil vom 21. Januar 2022, Az. 2-30 O 186/21).
Vor diesem Hintergrund müssen Versicherte genau überlegen, ob sie ihr Recht auf Rückabwicklung auch vor Gericht einklagen wollen. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Besprich mit Deiner Anwältin, wie die Erfolgsaussichten in Deinem konkreten Fall sind.
Seit 2016 empfehlen wir Rechtsanwaltskanzleien zum Thema „Widerruf Lebensversicherung - Rückabwicklung Lebensversicherung“. Dazu hatten wir 2016 mehr als 20 Kanzleien angeschrieben, die auf diesen Bereich spezialisiert waren und die bei einer Google-Suche am 10. Juni 2016 auf den ersten drei Seiten zu den Begriffen „Widerspruch Lebensversicherung Rechtsanwalt“ erschienen oder die sich direkt an uns gewandt hatten. Zur Prüfung schickten wir den Kanzleien einen umfangreichen Fragebogen. Nach Auswertung der Antworten konnten wir elf Anwaltskanzleien empfehlen.
Im Dezember 2021 erkundigten wir uns bei allen Empfehlungen nach deren Erfahrungen und baten um eine Einschätzung zur aktuellen Rechtsprechung. Wir fragten nach der Anzahl der Rechtsanwälte und Fachanwälte für Versicherungsrecht in der Kanzlei sowie nach positiven Urteilen und Vergleichen im Jahr 2021. Fünf Kanzleien nahmen an der Umfrage teil.
Voraussetzung für eine Empfehlung ist, dass die Kanzlei im Jahr 2021 mindestens ein positives Urteil und einen positiven Vergleich erstritten hat. Wir baten um entsprechende Belege. Als positiv haben wir nur Urteile bewertet, bei denen die Versicherung zur Zahlung verurteilt wurde und auch die Gerichtskosten tragen musste. Konnte der Kläger nur einen Teil seiner Forderung gerichtlich durchsetzen, kam es auf die Kostenquote an. Wir bewerteten solche Urteile als positiv, wenn die Versicherung den überwiegenden Teil der Gerichtskosten zahlen musste – dann hat aus unserer Sicht der Kunde das Verfahren gewonnen.
Urteile aus früheren Jahren zählten nicht. Wir berücksichtigten auch keine Teilurteile oder Urteile mit einer Kostenquote, bei denen der Kunde 50 Prozent oder mehr der Gerichtskosten tragen musste. Vergleiche haben wir entsprechend dann als positiv bewertet, wenn die Versicherung den überwiegenden Teil der Kosten des Verfahrens zahlen musste.
Über die tatsächliche Beratungsqualität der einzelnen Rechtsanwälte können wir keine Aussage treffen, da wir sie nicht überprüfen können. Unter den Kanzleien stehen diejenigen ganz oben, die uns die meisten positiven Urteile im Jahr 2021 belegt haben. Bei gleicher Anzahl von positiven Urteilen, steht die Kanzlei mit einer größeren Anzahl von nachgewiesenen Vergleichen oben.
Die Untersuchungen sind abgeschlossen. Weitere Anwaltskanzleien können wir aktuell nicht berücksichtigen.
Hast Du Erfahrungen mit einer der von uns empfohlenen Kanzleien gemacht, dann bitten wir Dich, andere Leser daran teilhaben zu lassen. Dazu kannst Du auf unseren Anbieterseiten die Kanzlei bewerten.
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