Finanzamt Fehler Wenn sich das Finanzamt zu Deinen Gunsten irrt
Finanztip-Experte für Steuern
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Irren ist bekanntlich menschlich. Doch was, wenn sich eine Finanzbeamtin oder ein Finanzbeamter irrt? Also das Finanzamt einen Fehler macht – und ein falscher Steuerbescheid zu Deinen Gunsten in Deinem Briefkasten liegt? Meist gilt: Du musst das Finanzamt nicht auf den Fehler aufmerksam machen.
Immer wieder haben sich Finanzgerichte mit der Frage von nachträglichen Änderungen des Steuerbescheids beschäftigen müssen. Und oft landeten die Verfahren dann sogar vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Wir beschreiben Dir in diesem Ratgeber die wichtigsten Urteile zum Thema „Fehler im Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen“.
Das gleich folgende Urteil des höchsten deutschen Finanzgerichts wollen wir uns an dieser Stelle etwas genauer anschauen. Weil damit deutlich wird, warum Steuerzahlende oft nichts befürchten müssen, wenn das Finanzamt doch noch viel später bemerkt, dass es einen Fehler gemacht hat.
Im Prinzip sagt das Urteil: Wer einen falschen Steuerbescheid erhält und diesen nicht korrigieren lässt, muss keine nachteiligen Folgen befürchten, zum Beispiel Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung.
Voraussetzung ist allerdings, dass die eingereichte Steuererklärung richtig und vollständig war. Der Steuerpflichtige darf also keine Tatsachen weggelassen oder Zahlen verfälscht haben, die zum Fehler des Finanzamts geführt haben. Hat der Steuerpflichtige alles richtig gemacht, liegt keine Steuerhinterziehung vor, wenn er einen vom Finanzamt fehlerhaft festgestellten Verlustvortrag geltend macht. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 4. Dezember 2012 (Az. VIII R 50/10) bestätigt.
Der Kläger hatte in den Steuererklärungen vor den Streitjahren fehlerfrei positive Einkünfte erklärt, die das Finanzamt fehlerhaft als negative Einkünfte erfasst und einen verbleibenden Verlustvortrag festgestellt hatte. Das heißt, aus Gewinnen wurden in der Steuererklärung Verluste – und diese trug das Finanzamt in das folgende Steuerjahr vor.
In der Einkommensteuererklärung für den Streitzeitraum nahm der Steuerpflichtige den vom Finanzamt festgestellten Verlustvortrag zunächst in Anspruch, erklärte aber dann – im Zusammenhang mit einer Außenprüfung – unter Abgabe einer strafbefreienden Erklärung, er habe damit eine Steuerhinterziehung begangen.
Der BFH hat die Auffassung des Finanzgerichts bestätigt, das mangels Straftat die Voraussetzungen für die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung verneint hatte. Die Einkommensteuererklärungen für die Vorjahre wiesen zutreffend positive Einkünfte aus. Auch die Erklärungen für die Folgejahre waren weder falsch noch unvollständig, denn die Bestandskraft des Bescheids zur Verlustfeststellung berechtigt dazu, den falsch festgestellten Verlustvortrag in Anspruch zu nehmen. Insbesondere war der Kläger nicht dazu verpflichtet, das Finanzamt auf die Fehlerhaftigkeit des Bescheids hinzuweisen, da er seine Erklärungspflichten vollständig und richtig erfüllt hatte. So sieht die Abgabenordnung eine Berichtigungspflicht im Anschluss an eine abgegebene Steuererklärung nur vor, wenn diese Erklärung „unrichtig oder unvollständig“ war.
Du bist also nicht verpflichtet, das Finanzamt auf Fehler der Behörde hinzuweisen, die aus den Steuerakten ersichtlich sind und deren Korrektur zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen würden. Eine Pflicht zur Mitwirkung an der Korrektur von Steuerbescheiden setzt „ein pflichtwidriges gefährdendes Vorverhalten“ voraus, das im Streitfall angesichts der ordnungsgemäß abgegebenen Steuererklärungen nicht gegeben ist.
Zwischenfazit: Mit der Abgabe einer vollständigen und ordnungsgemäßen Steuererklärung hat der Steuerpflichtige seine Erklärungspflichten erfüllt. Weicht die Veranlagung des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten vom geltenden Recht ab – trotz zutreffend erklärter Tatsachen –, ergeben sich aus dem Verfahrensrecht keine weiteren Erklärungspflichten.
In den folgenden Kapiteln geht es um Urteile, in denen vom Finanzamt oder von Steuerpflichtigen gemachte Fehler nachträglich korrigiert werden sollten.
Auch hier machte das Finanzamt einen eklatanten Fehler: Ein Arbeitnehmer hatte in einem Jahr zwei Beschäftigungsverhältnisse und gab diese auch pflichtgemäß handschriftlich in den Steuerformularen an. Im Finanzamt wurde bei der elektronischen Abfrage der Lohndaten aber übersehen, dass es nicht nur einen Job gab – und so fielen die Einkünfte aus dem zweiten unter den Tisch. Im Ergebnis wurde die Steuer auf 0 festgesetzt.
Mehr als ein Jahr später fiel dieser Fehler zugunsten des Steuerpflichtigen dann offenbar doch jemandem auf. Das Finanzamt berief sich daraufhin auf eine „offenbare Unrichtigkeit“ im Sinne Paragraf 129 Abgabenordnung AO und änderte den Steuerbescheid – obwohl dieser bereits bestandskräftig geworden war. Die darin enthaltene Steuernachzahlung wollte der Mann nicht zahlen – und so landete sein Fall am Ende vor dem BFH, weil auch das Finanzgericht Düsseldorf für das Finanzamt entschieden hatte.
Die höchsten deutschen Finanzrichter entschieden im Urteil vom 16. Januar 2018 dann aber zugunsten des Mannes (Az. VI R 38/16). Die Begründung in Kürze: Wenn das Finanzamt die Daten in der Steuererklärung nicht mit den elektronisch übermittelten abgleicht und deshalb nicht richtig erfasst, ist das keine „offenbare Unrichtigkeit“. Und weil es das nicht ist, kann der bestandskräftige Bescheid nicht mehr geändert werden.
In diesem Fall hatte das Finanzamt die offenbar nicht elektronisch übermittelte Steuererklärung eines Paares eingescannt, dabei aber die Anlage S vergessen. Obwohl das Risikomanagement Alarm schlug und das Wort „risikobehaftet“ fiel, fanden die Angaben in Anlage S nicht den Weg in die Steuererklärung. Erst im Jahr darauf wurde ein Sachbearbeiter auf den Fehler aufmerksam und schickte einen geänderten Steuerbescheid. Wie immer unter Berufung auf Paragraf 129 AO, Stichwort „offenbare Unrichtigkeit“.
Das Paar klagte, verlor aber vor dem Finanzgericht. Erst der BFH gab ihm recht (Urteil vom 14. Januar 2020, Az. VIII R 4/17. Zwar habe es sich um ein „mechanisches Versehen“ und damit um eine offenbare Unrichtigkeit gehandelt, so das höchste deutsche Finanzgericht. Aber das Finanzamt hätte nach den Hinweisen des Risikomanagementsystems den Fall intensiver prüfen müssen.
Diese Entscheidung stammt nicht vom Bundesfinanzhof, sondern vom Finanzgericht Niedersachsen. Und auch die Sachlage war in diesem Fall etwas anders. Hier hat das Finanzamt nicht von sich aus einen Fehler gemacht, sondern „nur“ einen Fehler einer Steuerpflichtigen übernommen und nicht korrigiert – obwohl es die Beamten besser hätten wissen können.
Der Fall: Eine Frau hatte in ihrer Steuererklärung zwei Wohnungen in der Steuererklärung angegeben. Eine davon hatte sie ihrer Tochter überlassen, weshalb sie den steuerlichen Abzug (AfA) gekürzt hatte. Im Folgejahr gab sie an, dass nun beide Wohnungen gegen Geld vermietet wurden. Die AfA-Beträge musste sie deshalb nicht mehr kürzen. Die Frau übernahm allerdings die Daten aus dem Vorjahr, ohne das zu beachten.
Nun stellte sie später – und nach der Bestandskräftigkeit ihres Steuerbescheids – ihren Fehler fest und wollte den Bescheid berichtigen lassen. Dabei berief sie sich auf den oben genannten Paragrafen 129 AO. Das Finanzamt lehnte das erwartungsgemäß ab, doch die Klage vor dem Finanzgericht Niedersachsen war dann doch erfolgreich (4. August 2020, Az. 9 K 237/19). Begründung: Der Fehler der Frau wurde versehentlich gemacht. Und vor allem: Er war in den Steuerakten des Finanzamts klar erkennbar.
Das Urteil ist rechtskräftig, es braucht an dieser Stelle also kein Urteil des BFH mehr.
Abschließend dieses Urteil des BFH, das zeigt, dass sich nicht in jedem Fall ein Fehler korrigieren lässt.
Ein Mann hatte über mehrere Jahre die Beiträge für ein berufsständiges Versorgungswerk in die falsche Zeile des Steuerformulars eingetragen, sodass diese steuerlich nicht ins Gewicht fielen. Erst Jahre später – und wiederum nach Bestandskräftigkeit der Steuerbescheide – beantragte er eine Änderung der betreffenden Bescheide. Das Finanzamt lehnte das ab.
Auch dieser Fall ging durch die Instanzen – und am Ende entschied der BFH in seinem Urteil vom 12. Februar 2020, dass in diesem Fall keine offenbare Unrichtigkeit vorliegt (Az. X R 27/18). Die Bescheide ließen sich also nicht mehr ändern.
Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, bei der Steuererklärung sehr sorgfältig vorzugehen. Auch das genaue Analysieren des Steuerbescheids ist ein Muss. Denn wenn Du in diesem bemerkst, dass Du fehlerhafte Angaben gemacht hast, kannst Du diese mit einem Einspruch noch relativ problemlos korrigieren.
Gesamtfazit: Macht das Finanzamt einen Fehler – und Du hast in der Steuererklärung alles richtig angegeben – musst Du die Behörde nicht auf den falschen Steuerbescheid zu Deinen Gunsten hinweisen. Zudem kann das Finanzamt, wenn es den Fehler später noch bemerkt, den bestandskräftigen Steuerbescheid oft nicht mehr nachträglich ändern.
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