Statement Ein Handelsdeal – und viele offene Fragen für den Standort Deutschland

Berlin, 28.07.2025 – Die USA und die EU haben sich am Sonntag auf ein neues Handelsabkommen geeinigt. Der Deal sieht Zölle von 15 Prozent für die meisten EU-Produkte vor – darunter auch deutsche Autos, Maschinen und Pharmaprodukte. Saidi Sulilatu, Chefredakteur des unabhängigen Geldratgebers Finanztip, kommentiert das Handelsabkommen:

„Zahlen wir den Preis für einen schlechten Deal? An den Börsen wird gefeiert: Planungssicherheit, neue Wachstumsfantasien, steigende Kurse. Doch für viele in Deutschland fühlt sich das eher wie ein fauler Kompromiss an.

Belastung für Schlüsselbranchen – und ein Standort unter Druck

Denn für Deutschlands Schlüsselbranchen ist dieser Deal eine Belastung. Die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die Chemiebranche exportieren in großem Umfang in die USA – und sehen sich nun mit herausfordernden Zöllen konfrontiert. Was auf dem Papier wie ein Deal aussieht, bringt in der Praxis vor allem höhere Kosten, weniger Wettbewerbsfähigkeit und drohende Produktionsverlagerungen.

Hinzu kommt: Die amerikanische Politik – unter Trump wie auch schon zuvor – setzt gezielt auf Standortvorteile durch Steuersenkungen, Subventionen und einen industriepolitischen Kurs. Wer künftig in den USA investiert, spart Geld – auf Kosten des Standorts Deutschland. Kapital, Jobs und technologische Entwicklung drohen abzuwandern.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland dürften die direkten Auswirkungen des Abkommens zunächst begrenzt erscheinen – etwa in Form moderater Preisveränderungen bei bestimmten Importgütern. Doch die wahren Konsequenzen spielen sich im industriellen Kern der deutschen Wirtschaft ab: Wenn deutsche Unternehmen infolge der US-Zölle weniger wettbewerbsfähig sind und dadurch Marktanteile verlieren, sind mittel- bis langfristig auch Arbeitsplätze in Gefahr.

Börsen feiern – doch die Realwirtschaft zahlt den Preis

Anders sieht es für die Kapitalmärkte aus: Börsen reagieren positiv, weil Unsicherheit vermieden wurde. US-Unternehmen profitieren von der Aussicht auf Steuererleichterungen und staatliche Anreize – davon wiederum können ETF-Anlegerinnen und Anleger profitieren, insbesondere wenn sie global diversifiziert investieren. Wer in einen weltweiten Aktienindex investiert, sieht die Effekte positiv in seinem Depot. Denn der Anteil an US-Unternehmen in beliebten Welt-ETFs ist hoch und lag beim MSCI World Anfang des Jahres bei etwa 72 Prozent.

Doch genau darin liegt das Dilemma: Die Börsen feiern, während sich wirtschaftliche Risiken und strukturelle Schwächen in der deutschen Realwirtschaft verschärfen. Wer Aktienkurse mit wirtschaftlicher Stärke gleichsetzt, übersieht die sozialen und politischen Konsequenzen. Gewinne an der Wall Street helfen wenig, wenn hierzulande Jobs verloren gehen.

Und es stellt sich eine grundsätzliche Frage: Welche Rolle spielt der Standort Deutschland für multinationale Unternehmen noch? Deutschland braucht keine symbolträchtigen Auftritte, sondern handfeste Standortbedingungen. Infrastruktur, Energiepreise, Digitalisierung, Forschung und Innovationsförderung – das sind die Felder, auf denen entschieden wird, wo investiert wird.“