Steuerpflicht Unbeschränkt oder beschränkt – das ist hier die Frage

Jörg Leine
Finanztip-Experte für Steuern

Das Wichtigste in Kürze

  • Du unterliegst der unbeschränkten Steuerpflicht und bist „Steuerinländer“, wenn Du zum Beispiel Deinen Wohnsitz in Deutschland hast.
  • Beschränkt steuerpflichtig bist Du hingegen und damit „Steuerausländer“, wenn Du keinen Wohnsitz in Deutschland hast und Dich auch nicht länger als 183 Tage hier aufhältst – aber Einkünfte in Deutschland erzielst.
  • Unter bestimmten Umständen darfst Du auf Antrag von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht wechseln. Das kann Steuern sparen.

So gehst Du vor

  • Die Steu­er­er­klä­rung machst Du am besten mit einem Steuerprogramm oder einer Steuer-App.
  • Wir empfehlen für alle Fälle Wiso Steuer 2024 und Steuersparerklärung (Steuerjahr 2023)ohne Photovoltaik. Wenn Du nicht selbstständig bist, reicht meist unser Preis-Leistungs-Tipp Tax 2024.
  • Für sehr einfache Fälle bieten sich auch die Steuer-Apps Steuerbot, Wiso Steuer und Taxfix an, die uns in unserem ausführlichen Test besonders überzeugt haben.

Ob jemand in Deutschland der Einkommensteuer unterliegt und damit als natürliche Person grundsätzlich einkommensteuerpflichtig ist, richtet sich danach, wo die Person wohnt und welche Einkünfte sie erzielt.

Die meisten Steuerzahlenden in Deutschland sind unbeschränkt steuerpflichtig, weil sie hier wohnen und arbeiten. Anders sieht es aus, wenn es in irgendeiner Form einen Auslandsbezug gibt – und in Deutschland zumindest ein Teil der Einkünfte erzielt wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Du Deinen Ruhestand im Ausland genießt – und aus Deutschland eine Rente beziehst, im grenznahen Ausland lebst, aber in Deutschland arbeitest oder aus Steuerspargründen in Monaco gemeldet bist, aber auch noch in Deutschland Geld verdienst.

Was ist unbeschränkte Steuerpflicht?

Um als unbeschränkt steuerpflichtig zu gelten, musst Du zunächst eine „natürliche Person“ sein. Diese Voraussetzung zu erfüllen, ist einfach: Eine natürliche Person ist jeder Mensch. Natürliche Personen sind demnach nicht juristische Personen. Das sind zum Beispiel AG, GmbH, Genossenschaft oder eingetragene Vereine. Auch Personengesellschaften wie GbR, OHG und KG sind keine natürlichen Personen.

Außerdem musst Du entweder einen Wohnsitz (§ 8 Abgabenordnung, AO) oder einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland haben. Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Einkommensteuergesetz, EStG). Zunächst ist immer der Wohnsitz und erst danach zu prüfen, ob jemand einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ legt von sich aus keine exakte Zahl vor. Als Faustregel gilt aber eine zusammenhängender Zeitraum von mindestens sechs Monaten, also 183 Tage oder mehr. 

Der Wohnsitzbegriff nach Paragraf 8 AO hat nichts mit einem Wohnsitz nach bürgerlichem Recht zu tun. Maßgebend für den steuerlichen Wohnsitz sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse. Demnach ist eine Wohnung jede objektiv zum Wohnen geeignete Räumlichkeit, auch ein möbliertes Zimmer zählt dazu. Ein Steuerpflichtiger kann auch mehrere Wohnsitze haben, so zum Beispiel in Deutschland und im Ausland.

Achtung: Zusätzlich unbeschränkt steuerpflichtig sind zudem deutsche Auslandsbedienstete, die Geld aus einer öffentlichen Kasse erhalten, zum Beispiel Mitarbeiter von deutschen Botschaften oder Konsulaten.

Was ist beschränkte Steuerpflicht?

Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie bestimmte inländische Einkünfte erzielen (§ 1 Abs. 4 EStG).

Von der beschränkten Steuerpflicht sind also nur Einkünfte betroffen, die in Deutschland erzielt werden. Bei einer unbeschränkten Steuerpflicht wird zuerst das weltweit erwirtschaftete Einkommen der deutschen Besteuerung unterworfen. Die Besteuerung des Welteinkommens wird durch bilaterale Doppel­besteuerungs­abkommen und nationale Regelungen in vielen Teilen aufgehoben oder gemildert.

Beispiel 1: Birgit und ihr Mann Michael sind in Rente, haben ihre Zelte in Deutschland abgebrochen und leben in Griechenland. Nur gelegentlich besuchen sie in Deutschland ihren Sohn und dessen Familie. Sie haben also keinen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt mehr in Deutschland. Sie erzielen aber mit der deutschen Rente inländische Einkünfte und sind deshalb beschränkt steuerpflichtig.

Beispiel 2: Xaver ist ein österreichischer Unternehmer. Er unterhält in der Nähe von Kufstein in Bayern eine Betriebsstätte in Deutschland, hat aber keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Da Xaver aufgrund der Betriebstätte inländische Einkünfte im Sinne des Paragrafen 49 EStG erzielt, ist er ebenfalls beschränkt steuerpflichtig für Zwecke der deutschen Einkommensteuer.

Nachteile der beschränkten Steuerpflicht

Man könnte durchaus sagen, dass wer im Ausland lebt, steuerlich fein raus ist. Denn die Steuern in Deutschland sind ja sehr hoch. Aber die beschränkte Steuerpflicht kann erhebliche Nachteile haben, vor allem wenn Du in Rente bist und im Ausland lebst. Denn dann kann es, abhängig vom Vorliegen eines Doppel­besteuerungs­abkommens, sein, dass Du einerseits Deine Rente in Deutschland versteuern musst, aber andererseits zahlreiche Vorzüge des deutschen Steuerrechts nicht in Anspruch nehmen kannst. Wie das für Dich aussieht, kannst Du im Ratgeber zur Rente im Ausland nachlesen.

Diese Vorteile kannst Du unter anderem nicht nutzen:

Du siehst, dass das von großem steuerlichem Nachteil sein kann und Du im Prinzip in der Steu­er­er­klä­rung fast nichts zum Absetzen hast und Du durch den Wegfall des Grundfreibetrags recht sicher steuerpflichtig wirst, auch wenn Du im Ruhestand bist. Es gibt aber einen Ausweg, zu dem wir jetzt kommen. 

Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht

Unter bestimmten Umständen kannst Du es per Antrag schaffen, unbeschränkt steuerpflichtig zu werden und damit (wieder) die Vorteile des deutschen Steuersystems nutzen zu können. Das sind die Voraussetzungen (§ 1 Abs. 3 EStG):

  • Du erzielst mindestens 90 Prozent Deiner Einkünfte, also „Welteinkünfte“ in Deutschland

oder

  • Deine Einkünfte außerhalb Deutschlands übersteigen nicht den Grundfreibetrag. Der beträgt 10.908 Euro im Jahr 2023 und 11.784 Euro im Jahr 2024.

Hierunter fallen nicht nur die sogenannten Grenzpendler, sondern auch oft Rentnerinnen und Rentner, die im Ausland leben.

So sieht der Antrag aus

Quelle: Screenshot Formularcenter, Stand 12. Oktober 2023

Für den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht gibt es zwei Varianten

  • Bescheinigung EU/EWR für Staatsangehörige der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums wie oben abgebildet. Wenn Du die deutsche Staatsangehörigkeit hast, musst Du diese verwenden.
  • Bescheinigung außerhalb EU/EWR für alle anderen Personen.

Wo bekommst Du den Antrag?

Du kannst den Antrag zum Beispiel im Formularcenter des Bundesfinanzministeriums finden. Wähle dort “Steuerformulare” aus. Die Bescheinigung EU/EWR besteht aus drei Seiten, wobei die dritte Seite für die jeweilige ausländischen Steuerbehörde gebraucht wird. Der Antrag steht deshalb außer in Deutsch auch in 23 anderen Sprachen bereit. Das meint, dass die ersten beiden Seiten immer auf Deutsch sind, aber die dritte in der jeweiligen Landessprache.

Ebenfalls zum Download bereit steht der Antrag auf dieser Seite des Finanzamts Neubrandenburg. Du musst dazu ganz nach unten auf der Seite scrollen, findest dort aber nur Varianten in zwölf Sprachen. Das Finanzamt Neubrandenburg ist zuständig für Rentenempfänger und -Rentenempfängerinnen im Ausland.

Beachte dabei, dass Du im Antrag auch Daten, Unterschrift und Dienststempel von der ausländischen Steuerbehörde brauchst. Verbringst Du Deinen Lebensabend zum Beispiel in Griechenland, brauchst Du diese Informationen von der griechischen Steuerbehörde. Wähle also das Formular in der jeweiligen Sprache aus, wenn es im Formularcenter angeboten wird. Griechisch ist dabei, gut für Dich. Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass die griechischen Steuerbehörden Deutsch können.

Gibt es für Dein Land keine eigene Sprachversion, nimm entweder die englische, französische oder spanische Variante, je nachdem, welche Sprache dort am ehesten als zweite Sprache akzeptiert ist.

Erweiterte beschränkte Steuerpflicht

Die sogenannte Wegzugsbesteuerung nach Paragraf 2 Außensteuergesetz AStG erweitert für bis zu zehn Jahre die unbeschränkte Steuerpflicht für Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Damit soll Steuerflucht zumindest erschwert werden. Diese Kriterien müssen erfüllt sein: 

  • Du verlagerst Deinen Wohnsitz in ein Niedrigsteuerland.
  • Du warst in den letzten zehn Jahren vor dem Wegzug mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig.
  • Du hast nach wie vor wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland.

Diese erweiterte beschränkte Steuerpflicht kann aber durch ein Doppel­besteuerungs­abkommen ausgeschlossen sein. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht trifft auch „Promis“ wie Showstars, Rennfahrer oder Fußballer, die Deutschland aus steuerlichen Gründen verlassen.

Unbeschränkte Steuerpflicht beim Erben

Die Steuerpflicht bei der Erbschafts­steuer ergibt sich aus Paragraf 2 Absatz 1 ErbStG. Unbeschränkte Steuerpflicht besteht bei der Erbschafts­steuer und Schenkungssteuer schon dann, wenn entweder der Erblasser, der Schenker oder der Erwerber ein Steuerinländer ist.

Die Erbschafts­steuerpflicht wirkt als erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht bei deutschen Staatsangehörigen noch fünf Jahre nach ihrem Wegzug aus Deutschland nach. Es nutzt also in der Regel nichts, sich mit einem Erbe (oder einer Schenkung) schnell ins Ausland abzusetzen, etwa in ein Land wie Schweden, in dem es keine Erbschafts­steuer beziehungsweise Schenkungssteuer mehr gibt. So entschied auch der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 24. Mai 2023 (Az. II R 27/20).

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