Nießbrauchsrecht Wie Dich der Nießbrauch im Alter absichert
Finanztip-Expertin für Recht
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Nießbrauch? Schon mal davon gehört? Der Begriff fällt oft, wenn es darum geht, eine Immobilie auf die Kinder zu überschreiben. Denn mit einem Nießbrauchsrecht kannst Du Steuern sparen und vielleicht sogar Erbstreitigkeiten verhindern. Wir erklären Dir, was es mit dem Nießbrauch auf sich hat, wann er sinnvoll ist und was Du beachten solltest.
Der Nießbrauch ist ein umfassendes Nutzungsrecht am Eigentum (§ 1030 BGB). Das bedeutet Folgendes: Als Eigentümer kannst Du jemandem dauerhaft bis zu seinem Lebensende erlauben, Dein Eigentum, zum Beispiel eine Immobilie, zu nutzen, ohne dass er oder sie dafür Miete zahlen muss. Er kann darin wohnen, sie aber auch vermieten und die Mieteinnahmen für sich behalten.
Dazu ein Beispiel: Antonio ist verheiratet und hat zwei Töchter aus erster Ehe. Er lebt mit seiner zweiten Frau in einem Eigenheim. In seinem Testament hat er verfügt, dass seine Töchter das Haus bekommen sollen. Seine Ehefrau soll aber ein Nießbrauchsrecht daran haben. Nach Antonios Tod kann seine zweite Frau somit weiter bis zu ihrem Lebensende in dem Haus wohnen bleiben oder es sogar vermieten. Eigentümerinnen sind allerdings die beiden Töchter.
Besonders häufig ist der Nießbrauch an Grundstücken, er ist aber auch möglich an einem Unternehmen, an Wertpapieren oder Kapitalbeteiligungen.
Hast Du als Eigentümer einer Person einen Nießbrauch an Deinem Eigentum eingeräumt, kann sie dieses Recht nicht veräußern oder vererben (§§ 1059, 1061 BGB). Er ist an diese Person gebunden. Der Nießbrauch erlischt deshalb, wenn der Inhaber des Nutzungsrechts verstirbt.
Unsere Skizze soll Dir veranschaulichen, wie der Nießbrauch funktioniert.
Quelle: Finanztip (Stand: 16. Juli 2024)
Du kannst in einem Nießbrauchsvertrag Gründe festlegen, wann das Nießbrauchsrecht entfallen soll. Zum Beispiel nach dem Ablauf einer vorher festgelegten Zeitspanne von zehn Jahren.
Ehepaare, die mit einem Nießbrauch sicherstellen wollen, dass der überlebende Partner weiter in der Immobilie wohnen kann, vereinbaren oft, dass der Nießbrauch auch erlöschen kann. Zum Beispiel, wenn der Witwer oder die Witwe wieder heiratet. Für diesen Fall kann im Überlassungsvertrag stehen, dass der Nießbrauch an den oder die Eigentümer – meist an die Kinder – zurückfällt.
Wichtig: Willst Du ein Nießbrauchsrecht vereinbaren, musst Du zu einer Notarin oder einem Notar. Die oder der muss die Bestellung des Nießbrauchs beurkunden und ihn im Grundbuch eintragen lassen (§ 1069 BGB). So bleibt das Recht auch bestehen, wenn Du das Grundstück verkaufst oder eine Zwangsvollstreckung ansteht. Der Nießbraucher verliert dadurch seine Rechte nicht.
Ein Nießbrauch steht im Grundbuch in der zweiten Abteilung unter Lasten und Beschränkungen. Zur Veranschaulichung dient der folgende Auszug aus einem Grundbuch, in das ein Nießbrauchsrecht eingetragen ist:
Als Eigentümer eines Grundstücks, an dem Du einer anderen Person einen Nießbrauch eingeräumt hast, teilt Ihr Euch die Abgaben und Kosten für die Immobilie. Besondere Instandhaltungsmaßnahmen musst Du zahlen, wenn zum Beispiel eine neue Heizung oder ein neues Dach fällig ist. Der Nießbraucher zahlt die gewöhnlichen Kosten, wie Grundsteuern und Versicherungsprämien für eine Wohngebäudeversicherung (§§ 1047, 1041 BGB). So sieht es das Gesetz vor. In der Übersicht haben wir kurz für Dich zusammengefasst, mit welchen Kosten Du als Eigentümer rechnen musst und welche der Nießbraucher übernimmt.
Ihr könnt die laufenden Kosten für die Immobilie anders regeln, als es das Gesetz vorsieht – mit einer Vereinbarung. Das ist sinnvoll, wenn Du zum Beispiel das Haus schon an Deine Kinder überschrieben hast, Du aber mit einem Nießbrauch weiter darin leben willst. Das Nießbrauchsrecht hilft auch, wenn Du nicht genug Rente oder Rücklagen hast, um die laufenden Kosten für das Haus zu stemmen.
In einer solchen Situation könntest Du mit Deinen Kindern vereinbaren, dass sie als neue Eigentümer sämtliche Kosten rund um die Immobilie übernehmen. Ist das Grundstück noch nicht abbezahlt, könnten die Kinder auch die noch laufende Baufinanzierung übernehmen. Du wärst dann auch davon befreit.
Das Besondere am Nießbrauch ist, dass er nicht nur ein lebenslanges Wohnrecht beinhaltet, sondern viel weiter geht. Der Nießbraucher darf die Immobilie sogar vermieten. Rechtlich tritt er als Vermieter auf (§ 567 BGB). Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung muss er dementsprechend versteuern. Werbungskosten kann er absetzen, aber die steuerlichen Abschreibungen verbleiben grundsätzlich bei Dir als Eigentümer. Die Details sind kompliziert. Weitere wichtige Infos findest Du im Ratgeber Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Durch eine Schenkung mit Nießbrauch kannst Du die Erbfolge nicht verändern. Du kannst aber Dein Vermögen und damit Deinen Nachlass verkleinern, indem Du Dein Vermögen zu Lebzeiten an die späteren Erben verschenkst. Das nennt sich vorweggenommene Erbfolge.
Der Nießbrauch kann dabei eine große Rolle spielen, gerade wenn Du ein Haus überschreiben willst. Willst Du bis zum Lebensende in dem Haus wohnen bleiben oder es vermieten können, schenkst Du das Haus Deinen Kindern und bekommst selbst daran ein Nießbrauchsrecht. Du wirst so vom Eigentümer zum Nießbraucher.
Willst Du einen unliebsamen Erben von der Erbfolge ausschließen, könntest Du frühzeitig Deine Immobilie verschenken. Liegen zwischen Schenkung und Erbfall mehr als zehn Jahre, geht der Pflichtteilsberechtigte leer aus. Er bekommt keinen Ausgleich dafür, dass das Haus schon frühzeitig aus dem Erbe herausgelöst wurde.
Wichtig: Anders ist das, falls Du Dein Haus nur an einen Erben überschreibst, Dir daran aber einen Nießbrauch behältst. Dann geht der Enterbte nicht leer aus. Er kann seinen Pflichtteil an der verschenkten Immobilie einfordern – und zwar auch dann, wenn die Schenkung schon länger als zehn Jahre zurück liegt (BGH, 27.04.1994, Az. IV ZR 132/93). Willst Du also eine Immobilie zu Lebzeiten verschenken, um den Pflichtteil eines Erben zu schmälern, darfst Du Dir dabei keinen Nießbrauch einräumen lassen.
Das Wohnrecht auf Lebenszeit bietet rechtlich weniger Möglichkeiten als der Nießbrauch. Denn mit einem Wohnrecht kannst Du als Inhaber die Immobilie zwar selbst bewohnen, sie aber nicht vermieten (§ 1093 BGB). Das ist beim Nießbrauch anders: Will der Nießbraucher nicht mehr in Deiner Immobilie leben, kann er mit seinem Nießbrauch Mieteinnahmen erwirtschaften. Willst Du Dir möglichst weitreichende Rechte an der Immobilie sichern – auch nach der Schenkung –, dann ist der Nießbrauch für Dich besser als das Wohnrecht.
Sowohl der Nießbrauch als auch das Wohnrecht stehen im Grundbuch. Beide Rechte gelten auch weiter, wenn Du die Immobilie zum Beispiel verkaufst. Ein neuer Eigentümer muss also Nießbrauch und Wohnrecht akzeptieren.
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Die Schenkung mit Nießbrauch hat noch eine weitere wichtige Folge: Es geht um die Steuern. Verschenkst Du Deine Immobilie, muss die beschenkte Person vielleicht Schenkungsteuer zahlen. Ein Nießbrauch verringert den Wert Deiner Immobilie. Dadurch fällt weniger Schenkungsteuer an.
Wie viel Ihr als Familie damit sparen könnt, hängt vom Alter des Nießbrauchers ab. Denn der Nießbrauch ist an die Person gekoppelt und an die Frage wie lange sie das Nießbrauchsrecht wahrscheinlich noch wahrnimmt. Grundlage für die Berechnung des Nießbrauchs ist das Bewertungsgesetz (§ 14 BewG).
Je älter der Nießbrauchsberechtigte bei der Übertragung ist, desto weniger ist der Nießbrauch wert. Das Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlicht jährlich dazu eine Tabelle. In der Tabelle zur Bewertung des lebenslänglichen Rechts wird dem Alter des Nießbrauchers beim Vertragsschluss ein sogenannter Vervielfältiger zugewiesen. Dieser berücksichtigt in der Rechnung auch die Lebenserwartung des Nießbrauchers. Da Frauen statistisch länger leben, wird bei der Berechnung zwischen Frauen und Männern getrennt.
Am folgenden Beispiel kannst Du sehen, wie Ihr als Familie mit dem Nießbrauchsrecht Steuern sparen könnt:
Anton ist 60 Jahre alt und besitzt eine Eigentumswohnung in Göttingen. Der steuerliche Wert beläuft sich auf rund 450.000 Euro. Die Wohnung ist zu einer Netto-Miete von 1.000 Euro vermietet.
Anton möchte die Wohnung seiner Tochter Birgit schenken. Die Tochter hat einen steuerlichen Freibetrag von 400.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Würde Anton die Wohnung ohne Nießbrauch auf seine Tochter übertragen, müsste sie 50.000 Euro mit einem Steuertarif von 7 Prozent versteuern (§ 19 ErbStG). Es fallen also 3.500 Euro Schenkungsteuer an.
Überträgt Anton die Wohnung mit Nießbrauch auf seine Tochter, fällt keine Schenkungsteuer an, da der Wert des Nießbrauchs vom steuerlichen Wert der Wohnung abgezogen wird. Das wird so berechnet:
Jahreswert der Wohnung x Vervielfältiger nach BMF-Tabelle = Wert des Nießbrauchs
Der Jahreswert der Immobilie ergibt sich aus den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung abzüglich der laufenden Werbungskosten, zum Beispiel Betriebs- und Verwaltungskosten.
Für das Beispiel bedeutet das: Der Jahreswert der Wohnung beträgt 11.000 Euro. Er ergibt sich aus der Jahresmiete von 12.000 Euro abzüglich 1.000 Euro Werbungskosten. Der Vervielfältiger beläuft sich nach der BMF-Tabelle ab 1. Januar 2024 auf 12,760, da Anton bei der Übertragung 60 Jahre alt ist.
Der Kapitalwert des Nießbrauchs beträgt: 11.000 Euro x 12,760 = 140.360 Euro.
Dadurch reduziert sich der Wert der Wohnung von 450.000 Euro um diesen Wert, also auf 309.640 Euro. Nach Berücksichtigung des Freibetrags von 400.000 Euro muss die Tochter Birgit demnach keine Schenkungsteuer zahlen.
Wichtig: Die steuerlichen Fragen solltest Du vorher klären und Dich dazu in einer Steuerberaterkanzlei beraten lassen.
Überträgst Du eine Immobilie mit Nießbrauch, können auch Grunderwerbsteuern anfallen. Wichtig: Die Freibeträge, die Du bei der Festsetzung der Schenkungsteuer abziehen darfst, mindern die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht (FG Nürnberg, 05.03.2015, Az. 4 K 410/13).
Aber: Schenkungen unter Eheleuten oder in gerader Verwandtschaftslinie, also etwa von Eltern zu Kind, bleiben von der Grunderwerbsteuer ausgenommen (§ 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG). Damit fallen in den meisten Fällen, in denen Häuser innerhalb der Familie überschrieben werden, keine Grunderwerbssteuer an.
Vielleicht willst Du als Eigentümer mit einem Nießbrauch auch Deinen Ehepartner finanziell absichern, falls der länger lebt als Du. Das nennt sich Versorgungsnießbrauch.
Ein Beispiel: Christoph und Doris sind verheiratet und haben zwei Kinder. Das Familienheim gehört Doris allein. Sie macht kein Testament. Da ihr Ehemann Christoph nach ihrem Tod nach gesetzlicher Erbfolge nur die Hälfte neben den Kindern erbt, räumt sie ihm zu Lebzeiten ein Nießbrauchsrecht an dem Haus ein. Falls Doris stirbt, fällt das Haus in den Nachlass und gehört der Erbengemeinschaft. Das Haus darf aber Christoph bis zu seinem Tod nutzen. Er ist durch den Nießbrauch zusätzlich abgesichert.
Es gibt noch eine andere Variante, um jemanden abzusichern. Du könntest als Eigentümer einer Person einen sogenannten Vermächtnisnießbrauch zukommen lassen. Das funktioniert so: Du könntest in Deinem Testament festlegen, dass Dein Erbe einer weiteren Person als Vermächtnis einen Nießbrauch einräumen muss.
Ein Beispiel: Ernst hat einen Sohn und eine Lebensgefährtin. Sein Sohn Frank soll laut Testament Alleinerbe seiner Immobilie werden, die er mit seiner Lebensgefährtin Gerti bewohnt. Gerti soll von Ernst zwar nicht erben, aber mit einem Vermächtnis wirtschaftlich versorgt sein. Dazu verpflichtet Ernst seinen Sohn Frank, Gerti einen Nießbrauch an der geerbten Immobilie zu bestellen. Frank wird zwar nach dem Tod des Vaters Eigentümer der Immobilie, bekommt aber keine Einnahmen daraus – die stehen alle Gerti zu. Das ändert sich erst, wenn Gerti stirbt und ihr Nießbrauch damit erlischt.
Auch die Sozialämter interessieren sich unter Umständen für das Nießbrauchsrecht. Bevor Du Sozialleistungen bekommst, musst Du nämlich auch Einnahmen aus dem Nießbrauch verwenden. Es gilt: Bedürftige müssen ihr gesamtes Einkommen und das verwertbare Vermögen einsetzen (§ 90 Abs. 1 SGB XII).
Doch was passiert eigentlich, wenn der Nießbraucher die Wohnung oder das Haus leer stehen lässt? Darf das Sozialamt die Situation dann vielleicht so werten, als ob Wohnung oder Haus vermietet wäre? Diese Frage hat das Oberlandesgericht Köln geklärt. Hat der Nießbraucher die Wohnung nicht vermietet, darf das Sozialamt die möglichen Einkünfte nicht berücksichtigen – es kommt nur darauf an, ob die Wohnung tatsächlich vermietet ist. Es besteht nämlich keine Vermietungspflicht des Nießbrauchers (OLG Köln, 24.06.2011, Az. 11 U 43/11).