Gliedertaxe Du bist verletzt: Wie viel zahlt die Unfallversicherung?

Nathanael Häfner
Nathanael Häfner
Experte BU und Unfallversicherung

Das Wichtigste in Kürze

  • Je höher Dein Invaliditätsgrad nach einem Unfall ist, desto mehr Geld bekommst Du.
  • Die Gliedertaxe regelt, wie hoch Dein Invaliditätsgrad, also wie stark Deine Beeinträchtigung ist.
  • Vergleiche unbedingt die Gliedertaxe verschiedener Unfallversicherungen, wenn Du eine abschließen möchtest. 

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Ein Unfall kann das Leben verändern – vor allem, wenn Du daher dauerhaft behindert oder eingeschränkt bist. Die private Unfallversicherung kann Dir helfen. Sie zahlt einen Teil der vereinbarten Versicherungssumme, wenn Du nach einem Unfall einen dauerhaften körperlichen Schaden hast. Wie viel Geld Du bekommst und wie die Versicherung die Leistungen berechnet, erklären wir Dir in diesem Ratgeber. 

Wie viel zahlt die Unfallversicherung?

Die Unfallversicherung zahlt bei einer Vollinvalidität die volle Versicherungssumme, meist mehrere zehn- oder hunderttausend Euro. Dafür musst Du allerdings einen Invaliditätsgrad von 100 Prozent erreichen. Erreicht Dein Invaliditätsgrad keine 100 Prozent, bekommst Du nur einen Teil der Versicherungssumme ausgezahlt.

Neben der Einmalzahlung zahlt die Unfallversicherung oft auch:

Die Höhe kannst Du individuell bestimmen. Es handelt sich um Bausteine, die Du in Deiner Unfallversicherung dazu buchen kannst. Aber Achtung: Oft brauchst Du diese Leistungen nicht, denn sie verteuern Deinen Tarif unnötig. 

Wie viel Deine private Unfallversicherung zahlt, hängt also im Wesentlichen von der Versicherungssumme und dem Grad der körperlichen oder psychischen Einschränkung, auch Invaliditätsgrad genannt, ab. 

Die Versicherungssumme hast Du zu Beginn Deines Vertrags mit der Versicherung vereinbart. Wann Deine Versicherung genau zahlt, erfährst Du in unserem Finanztip-Ratgeber zu Invalidität.

Wann zahlt die Unfallversicherung nicht? 

Die Unfallversicherung zahlt nur, wenn Du dauerhaft durch den Unfall beeinträchtigt bist. Ist Dein gebrochener Arm beispielsweise vollständig verheilt, bist Du nicht invalide. Kannst Du ihn dauerhaft aber nur eingeschränkt bewegen, schon. 

Wie funktioniert die Gliedertaxe?

Die Gliedertaxe legt fest, wie viel Geld Du bekommst, wenn Du ein Körperteil verlierst oder dauerhaft eingeschränkt bist. Die Tabelle weist jedem Körperteil Prozentwerte von 0 bis 100 zu, wenn diese ihre Funktion verlieren: Ein kompletter Arm etwa 70 Prozent, ein großer Zeh fünf. 

Bist Du auf einem Auge blind, bist Du beispielsweise zu 60 Prozent invalide. Das würde für Dich ohne Progression bedeuten, Du bekommst 60 Prozent der vereinbarten Versicherungssumme ausgezahlt.

Das zeigt aber auch: Verlierst Du ein Körperteil vollständig, giltst Du nicht zu 100 Prozent als invalide. Dann bekommst Du auch nicht die gesamte Versicherungssumme.

Wer legt fest, wie invalide Du bist?

Die endgültige Entscheidung über Deinen Invaliditätsgrad trifft die Versicherung auf Basis eines ärztlichen Gutachtens. Das Gutachten erstellt ein Arzt oder eine Ärztin, dabei muss es sich um einen Durchgangsarzt handeln. Diesen kannst Du selbst bestimmen.

Das Gutachten musst Du in aller Regel innerhalb von 15 Monaten nach Deinem Unfall bei der Versicherung einreichen. Verpasst Du diese Frist, bekommst Du kein Geld (OLG Saarbrücken, 18.10.2023, Az. 5 U 41/23). Oft zeigen sich Schäden erst Monate später, deshalb gibt es meist eine großzügige Frist. Prüfe Deine Vertragsbedingungen genau.

Die Versicherung kann Dein Gutachten akzeptieren und auf dieser Basis Deinen Invaliditätsgrad einstufen. Oder sie beauftragt selbst einen Arzt oder eine Ärztin für eine weitere Untersuchung. Kannst Du laut Gutachten ein Körperteil nicht mehr benutzen, bekommst Du genau den Wert aus der Gliedertaxe zugewiesen. Kannst Du das Körperteil nur teilweise nutzen, kürzt die Versicherung den Invaliditätsgrad. Halb brauchbar heißt halber Prozentwert in der Gliedertaxe.

Was kannst Du tun, wenn Dein Invaliditätsgrad in der Gliedertaxe zu niedrig ist?

Du solltest Dir eine Anwältin holen, am besten für Versicherungsrecht. Das Problem: Die Versicherung erkennt das von Dir eingeholte Gutachten oft nicht an. Dann beauftragt sie einen anderen Arzt, und der stellt einen niedrigeren Invaliditätsgrad fest. In der Folge bekommst Du weniger Geld.

Eine gute Rechtsschutzversicherung übernimmt die Anwaltskosten. Bedenke aber, dass die Versicherung meist eine Wartezeit von mindestens drei Monaten hat. Wenn Du sie erst abschließt, wenn der Unfall schon geschehen ist, übernimmt sie keine Kosten für diesen Fall. Ob Du diese Versicherung brauchst, erfährst Du im Ratgeber zur Rechtsschutzversicherung.

Wann wird die Gliedertaxe nicht angewendet?

Die Gliedertaxe gilt nicht für Körperteile wie Kopf, Rücken oder innere Organe. Auch hier können Verletzungen schwere Folgen haben. In solchen Fällen ermittelt die Versicherung den Invaliditätsgrad ohne Gliedertaxe

Wie unterscheiden sich Gliedertaxen?

Je nach Tarif bekommst Du für ein geschädigtes Körperteil mehr oder weniger Geld. Vergleiche daher die Gliedertaxe, wenn Du eine private Unfallversicherung abschließt. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) empfiehlt Mindestwerte, gute Tarife leisten oft mehr. 

Verlierst Du eine Hand, rät der GDV zu 55 Prozent Invalidität. Ein starker Tarif leistet aber im Schnitt 72 Prozent, zeigt unsere Finanztip-Auswertung (Stand: August 2025). Ein paar Prozent können für Dich Zehntausende Euro Unterschied sein.

Die nachfolgende Tabelle vergleicht die GDV-Mindestwerte mit Durchschnittswerten der Versicherer.

Diese Prozentangaben sollte eine Gliedertaxe enthalten 

KörperteilEmpfehlung des GDVDurchschnittswerte der Versicherungen
Stimme0 %87 %
ein Auge50 %63 %
Gehör auf einem Ohr30 %44 %
Geruchssinn10 %16 %
Geschmackssinn5 %14 %
kompletter Arm70 %81 %
Arm oberhalb Ellenbogen65 %78 %
Arm unterhalb Ellenbogen60 %76 %
komplette Hand55 %72 %
Daumen20 %33 %
Zeigefinger10 %25 %
anderer Finger5 %11 %
Bein über Mitte Oberschenkel70 %77 %
Bein bis Mitte Oberschenkel60 %72 %
Bein bis unterhalb Knie50 %68 %
Bein bis Mitte Unterschenkel45 %65 %
kompletter Fuß40 %56 %
großer Zeh5 %11%
anderer Zeh2 %5 %

Quelle: Musterbedingungen des Gesamtverbands der Versicherer (GDV), Morgen-&-Morgen-Analyse auf Anfrage von Finanztip (Stand: 26. August 2025)

Wenn Du wissen möchtest, was außer der Gliedertaxe bei einer privaten Unfallversicherung noch wichtig ist, solltest Du in unseren Ratgeber private Unfallversicherung schauen.

Mehr Geld über den reinen Invaliditätsgrad hinaus bekommst Du, wenn Du eine Progression vereinbarst. 

Warum zahlt die Unfallversicherung mit einer Progression mehr?

Durch die Progression vereinbarst Du einen Faktor, mit dem sich Deine Versicherungssumme multipliziert. Allerdings verteuert sich dadurch Deine Unfallversicherung. 

Wir von Finanztip halten eine Progression für sinnvoll, wenn Du gezwungen bist eine Unfallversicherung abzuschließen, weil Du keine Berufsunfähigkeitsversicherung bekommst. Sinnvoller ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung).

Mehr dazu im Ratgeber Berufsunfähigkeitsversicherung

Zum Ratgeber

Du kannst eine Progression zwischen 100 und 500 Prozent vereinbaren. Damit Deine Unfallversicherung nicht zu teuer wird, halten wir nach unseren Finanztip-Analysen eine Progression von 225 oder 350 Prozent für sinnvoll. Eine 42-jährige Büroangestellte zahlt bis zu zehn Euro monatlich mehr, wenn sie 500 Prozent Progression vereinbart. Eine zu hohe Progression ist nicht sinnvoll und zu teuer für Dich.

Ab wann greift die Progression?

In den meisten Verträgen greift die Progression und damit der Multiplikator, auch Progressionsfaktor genannt, erst ab einem Invaliditätsgrad von 25 Prozent. Bei schlechten Tarifen erst ab 50 Prozent. 

Quelle: Finanztip-Analyse (Stand: August 2025)

Beispiel: Handwerker Manuel hat eine Unfallversicherung in Höhe von 100.000 Euro abgeschlossen. Er arbeitet mit der Säge, als ihm die Hand abrutscht. Nach einer Operation kann Manuel zwar seinen Daumen behalten, aber nur eingeschränkt nutzen. Die Versicherung reduziert den Invaliditätsgrad auf 15 Prozent. Dann gibt es 15.000 Euro ohne Progression, da diese erst ab 25 Prozent gilt.

Wenn er aber den Daumen amputieren muss, entspricht das in der Gliedertaxe 30 Prozent Invaliditätsgrad. Bei einer Versicherungssumme von 100.000 Euro bekommt Manuel ohne Progression also 30.000 Euro.

Hat er eine Progression von 350 Prozent vereinbart, erhöht sich die Zahlung auf 40.000 Euro.

Wichtig für Dich: Da die volle Progression erst ab 100 Prozent Invalidität greift, ist die Auszahlung nicht 3,5-fach

Verliert er nicht nur den Daumen, 30 Prozent Invaliditätsgrad, sondern auch den Zeigefinger, 20 Prozent, ergibt das zusammen 50 Prozent. Mit 350 Prozent Progression zahlt die Versicherung dann die volle Versicherungssumme von 100.000 Euro.

Das Beispiel lässt sich mit folgender Tabelle veranschaulichen: 

Wie viel leistet eine Unfallversicherung mit Progression?

Was ist passiert?InvaliditätsgradLeistungSummeFaktor
Manuels Daumen ist eingeschränkt 15 Prozent15 Prozent15.000 Euro1
Manuel verliert seinen Daumen 30 Prozent  40 Prozent40.000 Euro1,3̅
Manuel sägt sich Daumen und Zeigefinger ab50 Prozent100 Prozent100.000 Euro2
Manuel verliert seine Hand60 Prozent150 Prozent150.000 Euro2,5
Manuel sägt sich beide Hände ab 100 Prozent350 Prozent500.000 Euro3,5

Du siehst also: Je stärker Du geschädigt bist, desto stärker wirkt sich die Progression aus. Je höher Dein Invaliditätsgrad ist, desto näher kommt die Zahlung dem Faktor 3,5.

Autoren
Julia Rieder

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