Pflegegrad 1: Leistungen und Voraussetzungen Wieso Du nicht zögern solltest, Pflegegrad 1 zu beantragen
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So gehst Du vor
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Oft kommt die Not schleichend: Die Einkaufstüten werden Dir zu schwer, sie die Haustreppe hochzutragen kostet Dich viel Anstrengung. Oder Deine Kraft reicht nicht mehr aus, um die Wohnung regelmäßig zu reinigen. Manchmal sind die Beschwerden plötzlich durch einen Unfall da - oder entstehen nach einer großen Operation. Wenn das bei Dir der Fall oder absehbar ist, solltest Du jetzt handeln. Hol Dir Hilfe von Deiner Pflegekasse - mit einem Pflegegrad. Er kann Dich vor weiterer Überforderung und Unfällen schützen. Was Dir bereits mit dem niedrigsten Pflegegrad – Pflegegrad 1 – zusteht, erfährst Du in diesem Ratgeber.
Geld von der Pflegeversicherung gibt es, sobald Du einen Pflegegrad hast – also auch schon ab Pflegegrad 1. Die Anträge stellst Du formlos gegenüber Deiner Pflegeversicherung. Nutze unser Antragsformular zum kostenlosen Herunterladen.
Was Du sonst noch über den Antrag wissen solltest und welche Schritte dann für Dich folgen, erklären wir Dir ausführlich in unserem Ratgeber Pflegegrad beantragen.
Wenn Du in Pflegerad 1 eingestuft wirst, bekommst Du teils genauso viel Geld und Leistungen, wie Menschen, die Pflegegrad 2, 3, 4 oder sogar Pflegegrad 5 haben. Denn Dir steht der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro zu. Den kannst Du jeden Monat beispielsweise für eine Putz- oder Haushaltshilfe nutzen. Außerdem bekommst Du finanzielle Unterstützung, um Deine Wohnung oder Dein Haus umzubauen und anzupassen – bis zu 4.000 Euro gibt es etwa für die bodengleiche Dusche statt der sperrigen Badewanne, für Handläufe, für breitere Türen und vieles mehr.
Bekommst Du Pflegegrad 1, wirst Du als noch weitgehend selbstständig angesehen. In aller Regel kannst Du Dich noch recht gut selbst versorgen und Deinen Alltag in einigen Bereichen sogar ganz ohne fremde Hilfe gestalten.
Den Pflegegrad 1 gibt es erst seit 2017, seit die Systematik von Pflegestufen auf Pflegegrade umgestellt wurde, um die Pflegebedürftigkeit von Menschen differenzierter beschreiben zu können. Dabei wurden die alten Pflegestufen 1 bis 3 von fünf Pflegegraden abgelöst.
Vom neuen Pflegegrad 1 profitieren Menschen, die relativ geringe Einschränkungen haben. Unter anderem können das Personen mit Wirbelsäulen- oder Gelenkerkrankungen sein, die sonst noch fit sind. Aber auch Demenzkranke zu Beginn ihrer Erkrankung, also mit kognitiven Einschränkungen. Früher sind diese Personengruppen oft durchs Pflegeraster gefallen. Das soll nun anders werden.
Voraussetzung, um Leistungen aus Deiner Pflegeversicherung zu bekommen, ist, dass ein Gutachter oder eine Gutachterin festgestellt hat, dass Du pflegebedürftig bist.
Zögere nicht zu lange, Dir Hilfe zu holen: Denn pflegebedürftig ist man nicht erst, wenn man sich überhaupt nicht mehr selbst versorgen kann. Eine grundlegende Definition, die Du gehört haben solltest: Als pflegebedürftig gilt, wer aus gesundheitlichen Gründen in seiner Selbstständigkeit und seinen Fähigkeiten beeinträchtigt ist und dadurch im Alltag die Hilfe anderer braucht. Paragraf 14 des Sozialgesetzbuches (SGB) 11 gibt diese Definition vor.
Eine Einschränkung aber gibt es: Deine Angewiesenheit auf die Hilfe anderer muss voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen. Bist Du nur kurzzeitig auf Pflege angewiesen, etwa während Du Dich nach einem Krankenhausaufenthalt erholst, ist nicht die Pflegeversicherung, sondern die Krankenkasse Dein richtiger Ansprechpartner und hilft Dir weiter.
Der Gutachter oder die Gutachterin beurteilt Deine Selbstständigkeit mithilfe eines Punktesystems in sechs Kategorien:
Bist Du gesetzlich versichert, kommt wahrscheinlich ein Gutachter oder eine Gutachterin des Medizinischen Dienstes zu Dir nachhause. Heute MD, früher MDK genannt. Bei Privatversicherten übernimmt das Unternehmen Medicproof die Begutachtung.
Je nachdem, wie selbstständig Du in den einzelnen Bereichen bist, vergibt der Gutachter oder die Gutachterin eine Punktzahl. Die einzelnen Module fließen unterschiedlich stark in das Gesamtergebnis ein, die Punkte werden daher gewichtet. Die Systematik ist gesetzlich festgeschrieben in Paragraf 15 SGB 11. Wir erklären sie Dir hier.
Wie Du Dich am besten auf den Besuch vorbereitest und weshalb Du keine Scheu vor dem Termin haben solltest, verraten wir Dir in unserem Ratgeber Pflegegrad beantragen.
Der Systematik zufolge sind bis zu 100 Punkte im Pflegegutachten möglich – das entspricht dann der höchsten Pflegebedürftigkeit. Die Punkte kommen aus den oben genannten sechs Bereichen des Alltags. Erreichst Du mindestens 12.5, aber weniger als 27 Punkte, wirst Du in Pflegegrad 1 eigestuft, wie Dir folgende Tabelle zeigt.
Selbständigkeit | Punkte | Pflegegrad |
---|---|---|
geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 12,5 bis unter 27 | 1 |
erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 27 bis unter 47,5 | 2 |
schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 47,5 bis unter 70 | 3 |
schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 70 bis unter 90 | 4 |
schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 90 bis unter 100 | 5 |
Quelle: § 15 Sozialgesetzbuch (SGB) 11 (Stand: Juni 2024)
Wie viel Geld und welche sonstigen Leistungen Du genau aus Deiner Pflegeversicherung bekommst, hängt vor allem vom Pflegegrad ab. Grundsätzlich gilt: Je höher der Pflegegrad ist, desto höher sind die Leistungen, die Dir zustehen.
Leistungen der Pflegeversicherung für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 konzentrieren sich vor allem darauf, die Selbstständigkeit durch frühzeitige Hilfestellungen möglichst lange zu erhalten. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass man als Pflegebedürftiger mit relativ geringen Einschränkungen weiter in der vertrauten häuslichen Umgebung bleiben kann. Ein Wunsch, den viele Pflegebedürftige haben.
Das bedeutet für Dich: Du bekommst neben Geldleistungen eine ausführliche Beratung rund um Pflege und wirst außerdem von der Pflegekasse bezuschusst, wenn Du Deine Wohnung oder Dein Haus anpasst oder umbaust. Es gibt bis zu 4.000 Euro je Umbaumaßnahme, wenn Du beispielsweise Handläufe oder Griffe anbringst, oder wenn Du Deine Badewanne gegen eine bodengleiche Dusche tauschst. Lass Dich beraten, was möglich ist und was Dir wirklich hilft.
Wir haben Dir in der folgenden Tabelle aufgelistet, was Dir alles bei Pflegegrad 1 zusteht.
Pflegeleistung | Dein Anspruch seit Januar 2024 |
Pflegeberatung, §§ 7a, 7b SGB 11 | ✓ |
Entlastungsbetrag, § 45b SGB 11 | 125 Euro im Monat |
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch, § 40 SGB 11 | bis zu 40 Euro im Monat, z.B. für Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel, Mundschutz etc. |
technische Pflegehilfsmittel, § 40 SGB 11 | Pflegekasse stellt z.B. Pflegebett, Waschwagen etc. |
Hausnotruf als technisches Pflegehilfsmittel, § 40 SGB 11 | bis zu 25,50 Euro im Monat + einmalig 10,49 Euro zur Installation |
Wohnraumanpassung, § 40 SGB 11 | bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme, Obergrenze für Wohngemeinschaften maximal 16.000 Euro je nach Bewohnerzahl |
Pflegekurse für Angehörige, § 45 SGB 11 | ✓ |
Pflegeunterstützungsgeld für Angehörige, §§ 44a SGB 11 | bis zu 10 Arbeitstage je Kalenderjahr |
Wohngruppenzuschuss, § 38a SGB 11 | 214 Euro im Monat |
digitale Pflegeanwendungen, §§ 39a, 40b SGB 11 | Apps und Programme, die z.B. das Gedächtnis stärken oder Online-Kommunikation ermöglichen, bis zu 50 Euro im Monat |
vollstationäre Pflege im Heim, § 43 SGB 11 | 125 Euro Entlastungsbetrag im Monat |
Quelle: Finanztip-Recherche, Sozialgesetzbuch (SGB) 11 (Stand: Juni 2024)
Du bekommst als Leistungen aus der Pflegeversicherung zum einen Geld, teils zur Verrechnung. Da wäre der Entlastungsbetrag nach Paragraf 45b SGB 11 in Höhe von 125 Euro, den Du für Haushaltshilfen ausgeben kannst. Doch in Pflegegrad 1 kann der Entlastungsbetrag noch mehr. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 können das Geld auch für Leistungen ambulanter Pflegedienste im Bereich der körperbezogenen Selbstversorgung einsetzen – das ist in den höheren Pflegegraden nicht mehr möglich. Das bedeutet, dass Du in Pflegegrad 1 die 125 Euro Entlastungsbetrag auch für die Unterstützung durch einen Pflegedienst beim Duschen oder Baden nutzen kannst. Wie Du den Entlastungsbetrag abrechnest, findest Du ausführlich im Ratgeber zum Entlastungsbetrag.
Es ist Paragraf 40 SGB 11, der auflistet, wie Dich die Pflegekasse unterstützt. Du hast eine Pauschale für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch, also etwa für Einmalhandschuhe, aber auch Desinfektionsmittel oder Mundschutz. Außerdem stellt die Pflegekasse Hilfen wie Pflegebett oder einen Waschwagen. Sie zahlt auch einen Hausnotruf und unterstützt Dich wie oben ausgeführt bei altersgerechten Umbauten in Deiner Wohnung.
Wählst Du als Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 bereits die vollstationäre Pflege in einem Pflegeheim, bekommst Du von der Pflegeversicherung einen Zuschuss in Höhe von 125 Euro monatlich. In teil- und vollstationären Einrichtungen hast Du außerdem wie alle Versicherten Anspruch auf zusätzliche Betreuung und sogenannte Aktivierung, dabei geht es um körperliches sowie geistiges Fithalten. Das Angebot ist oft bunt – von Gruppen zum Singen, über Teams mit sportlicher Betätigung bis hin zu Gemeinschaften, die gemeinsam Kochen.
Du hast außerdem Anspruch auf Beratung nach Paragraf 7a SGB 11 – zur Pflege selbst, aber auch zur Finanzierung der Pflegemaßnahmen. Und zwar sobald Du einen Pflegegrad beantragt hast. Diese individuelle Pflegeberatung ist kostenlos, umfassend und unabhängig. Sie ist zwar freiwillig, doch Du solltest sie unbedingt nutzen, denn mit ihr kannst Du Deinen Bedarf und Deine Möglichkeiten genau besprechen.
Wohin Du Dich wenden kannst: Entweder direkt an Deine Pflegekasse oder an Pflegestützpunkte. Es gibt außerdem kommunale Beratungsstellen, sowie Beratungsangebote von Kirchen oder von Wohlfahrtsverbänden. Du kannst Adressen in Deiner Nähe über die Beratungsdatenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege finden – diese Stiftung wird auch von Verbraucherzentralen empfohlen.
Nicht nur die pflegebedürftige Person selbst hat Anspruch auf Beratung. Auch pflegende Personen können kostenfrei an einem Pflegekurs teilnehmen (§ 45 SGB 11). Das Angebot können Familienangehörige, Freunde, Bekannte oder Nachbarn einer Person nutzen, die in deren Versorgung und Betreuung ehrenamtlich involviert sind.
Aufgrund der relativ geringen Beeinträchtigungen, die Menschen mit Pflegegrad 1 haben, gibt es noch keine ambulanten Pflegesachleistungen durch Pflegedienste oder Pflegegeld.
Diese Geldleistungen sind Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 vorbehalten. Mit Pflegegrad 2 stehen Dir beispielsweise 332 Euro Pflegegeld oder 761 Euro an Pflegesachleistungen, also Zahlungen an einen Pflegedienst, zu. Außerdem hast Du dann Anspruch auf Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sowie teilstationäre Tages- oder Nachtpflege. Und auch für die vollstationäre Betreuung übernimmt Deine Kasse dann mehr. Lies alle Einzelheiten dazu im Ratgeber zu Pflegegrad 2 nach.
Quelle: Finanztip-Recherche, Sozialgesetzbuch (SGB) 11 (Stand: Juni 2024)
Um Dir zu veranschaulichen, wann Du Dich schon für Pflegegrad 1 qualifizierst, folgendes fiktives Beispiel, das einer Person mit Pflegegrad 1 nachempfunden ist.
Ayla ist 72 und lebt allein in ihrer Wohnung im dritten Stock. Einen Aufzug hat sie nicht. Sie hat zwar bislang keine weiteren körperlichen oder kognitiven Einschränkungen, aber das Treppensteigen mit Einkaufstüten wird für sie zunehmend zur Herausforderung.
Wegen ihres voranschreitenden Rheumas kann sie sich außerdem nur noch sehr langsam selbst anziehen. Das feste Zugreifen fällt ihr schwer, besonders Knöpfe rutschen ihr häufig aus der Hand. Außerdem stellt Ayla das regelmäßige Reinigen ihrer Wohnung mittlerweile vor Probleme.
Ayla sollte Antrag auf Pflegeleistungen stellen, auf einen Pflegegrad. Ihr würde voraussichtlich eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit attestiert. Im Bewertungssystem der Pflegegrade sind das mehr als 12,5 Punkte, weniger als 27 – also Pflegegrad 1, siehe Tabelle oben.
Den monatlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro kann Ayla nutzen, um eine Haushaltshilfe anzuheuern, die putzt und sie bei den Einkäufen unterstützt. Einmalig bekommt sie außerdem einen Zuschuss bis zu 4.000 Euro von der Pflegekasse für eine altersgerechte Wohnraumanpassung, monatliche Unterstützung gibt es für einen Hausnotruf. Außerdem kann sie digitale Gesundheitsanwendungen mit der Pflegekasse abrechnen – das sind unter anderem Apps für Handy oder Tablet, die spielerisch fit halten sollen.
Mit ihrer Einstufung in einen Pflegegrad kann Ayla zudem zu einer Pflegeberatung gehen. Dort wird sie umfassend beraten. Angebote findet sie direkt von ihrer Pflegekasse, von Pflegestützpunkten oder kommunalen Beratungsstellen, von Kirchen oder von Wohlfahrtsverbänden. Die Beratung steht ihr kostenlos zu. Wird Ayla von anderen Menschen ehrenamtlich unterstützt, können die sich auch beraten lassen. Unter anderem dazu, ob es sich für sie lohnt, weniger zu arbeiten und Pflegezeit zu nehmen. Dann können diese Pflegenden nämlich Pflegeunterstützungsgeld bekommen, ähnlich dem Elterngeld.
Wenn Du Dich nicht richtig in Pflegegrad 1 aufgehoben fühlst, kannst Du gegen die Einstufung Widerspruch einlegen. Und zwar innerhalb von vier Wochen ab dem Datum des Bescheids bei der zuständigen Pflegekasse. Eine Begründung kannst Du nachreichen – nenne überzeugende Argumente für Deine Zweifel, wenn sich die aktuelle Pflegesituation wie Du sie wahrnimmst, vom Gutachten unterscheidet. Etwa, dass Du bereits eine Gehilfe hast, was zeigt, dass Du Treppen nur unter Aufwand bewältigen kannst.
Hier kannst Du Dir unsere Vorlage für Deinen Widerspruch herunterladen.
Hast Du die Vier-Wochen-Frist für einen Widerspruch verpasst? Kein Problem: Du kannst jederzeit einen neuen Antrag auf Begutachtung stellen. Hier gehts zum Ratgeber Pflegegrad beantragen – mit allen wichtigen Tipps dazu.