Ver­si­che­rung zahlt nicht Was tun, wenn die Ver­si­che­rung nicht zahlt?

Kathrin Gotthold
Finanztip-Expertin für Vorsorge und Ver­si­che­rung

Es gibt mehrere Gründe, warum eine Ver­si­che­rung nicht zahlt. Entscheidend ist letztlich, ob die Nichtleistung der Ver­si­che­rung gerechtfertigt ist oder nicht. Nachstehend wird in einer kleinen Checkliste die mögliche Vorgehensweise einschließlich der rechtlichen Möglichkeiten des Ver­si­che­rungskunden kurz erläutert. Die weiterführenden Links zu anderen Finanztip-Artikeln erklären die Varianten im Detail.
Wird Dir eine Verletzung einer Obliegenheit vorgeworfen? Manchmal ist der Schaden durch die Ver­si­che­rungspolice nicht gedeckt oder es liegt eine Unterversicherung vor oder der Schaden ist zu spät gemeldet oder nicht ausreichend belegt worden. Aber auch weitere Gründe wie zum Beispiel bewusste schleppende Regulierung des Versicherers treten immer wieder auf.

Kleine Checkliste, wenn die Ver­si­che­rung nicht zahlt

Vorab: Nicht lügen, nichts beschönigen oder Tatsachen verdrehen. Wie der Finanztipp-Artikel Muss Versicherer die Gebühren für den Anwalt ersetzen? zeigt, solltest Du auch nicht vorschnell und bei einfach gelagerten Ver­si­che­rungsschäden einen Anwalt beauftragen, der den Ver­si­che­rungsschaden geltend machen soll, wenn sie die Anwaltskosten nicht selbst tragen wollen. Grundsätzlich hat der Ver­si­che­rungsnehmer die Höhe des Schadens nachzuweisen, wobei aber keine hohen Anforderungen an die Beweiserbringung gestellt werden dürfen. Abhängig von der Argumentation des Versicherers empfiehlt sich bei Nichtleistung ein abgestuftes Vorgehen. Solange noch keine definitives Schreiben der Ver­si­che­rung mit Begründung für die Nichtzahlung vorliegt, ist zunächst an die baldige Erledigung zu erinnern. Darin kann bereits deutlich gemacht werden, dass der Versicherte in diesem konkreten Fall in finanzielle Schwierigkeiten gerät, wenn die Leistung der Ver­si­che­rung nicht zügig erfolgt. Punkte einer Check-Liste:

  • Per Schreiben - ggf. mit Setzung einer Frist - an die Erledigung erinnern
  • Per Schreiben - zum Beschwerde an "Beschwerde-Management" der Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft - nachfassen
  • Prüfen, ob vielleicht ein falscher oder ungerechtfertigter Eintrag in der Datenbank im HIS vorliegt
  • Beschwerde an Ombudsmann richten
  • Beschwerde bei der BaFin einreichen
  • Prüfen, ob der Vorgang von der Rechts­schutz­ver­si­che­rung gedeckt ist oder ob Prozesskostenhilfe in Betracht kommt.
  • Den richtigen Anwalt für den Ver­si­che­rungsfall beauftragen.

 

Schleppende Regulierung des Versicherers

Gerade bei größeren Summen und bei Personenschäden müssen die Geschädigten teilweise lange auf die Zahlung der Entschädigung warten. Zwar hat der Versicherer das Recht, die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach eingehend zu prüfen. Eine bewusste bzw. unzulässige lange Verzögerung der Leistung des Versicherers wird von der Rechtsprechung nicht toleriert. So haben Richter insbesondere ein unzulängliches Regulierungsverhalten bei der Zahlung von Schmerzensgeld geahndet. Kommt die Ver­si­che­rung ihrer Leistungspflicht nach angemessener Prüfungszeit nicht nach, so kommt es zum Zahlungsverzug und die Ver­si­che­rung hat auch für den Verzugsschaden aufzukommen. Zum Verzugsschaden kann auch das Honorar für den Rechtsanwalt zählen, der die Leistungspflicht der Ver­si­che­rung anmahnt.

Beispiele zur Rechtsprechung bei schleppender Regulierung des Versicherers

Wenn eine Ver­si­che­rung die Schadensregulierung unzulässig lange herauszögert, muss sie damit rechnen, dass ihr die Justiz dieses Verhalten negativ anrechnet. So kann beispielsweise ein Schmerzensgeld deutlich herauf gesetzt werden, wie das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 26.06.2000 - 7 0 600/97 – zeigt. Die Richter sprachen der Klägerin deshalb ein höheres Schmerzensgeld zu. Ähnlich OLG Koblenz mit Urteil vom 22.12.2000 - Az 10 U 471/99: Die schleppende Regulierung von Unfallschäden (hier 5 Jahre, 2 Monate nach dem Unfall) ist ein Zahlungsverzug und erhöht das Schmerzensgeld. Das Gericht sorgte auch dafür, dass der Versicherte die Kosten eines Anwalts ersetzt bekam, weil das Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men sich geweigert hatte, für den Unfallschaden einzutreten.
Verzögert der Schädiger bzw. seine Haft­pflicht­ver­si­che­rung die Schadensregulierung entgegen Treu und Glauben, so ist dem Geschädigten als Genugtuung ein deutlich erhöhtes Schmerzensgeld zuzusprechen .
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist zu berücksichtigen, wenn eine Schadensregulierung nur zögernd erfolgt, obwohl die Leistungspflicht zweifelsfrei gegeben war und der Geschädigte auch keine unrealistisch hohen Forderungen gestellt hat, oder wenn die Verzögerung und das Verhalten des Versicherers selbst eine weitere seelische Beeinträchtigung des Geschädigten zur Folge haben. Eine Schmerzensgelderhöhung ist jedoch dann nicht geboten, wenn der Versicherer lediglich nicht aktiv an der Schadensregulierung mitwirkt, auch weil es in erster Linie Sache des Geschädigten ist, dem Schädiger die seinen Anspruch stützenden Tatsachen zu unterbreiten (OLG Brandenburg vom 12.10.2006).

Vorschaden bei Sachversicherungen

Vorschäden bei Sachversicherungen sind bei der Schadensmeldung anzugeben. Wer Vorschäden nicht angibt, muss damit rechnen, dass der Versicherer die Leistung wegen einer Obliegenheitsverletzung verweigert. Beispiel aus der Rechtsprechung: Die im Formular der Schadensanzeige gestellte Frage nach Vorschäden eines Kfz ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Ver­si­che­rungsnehmers so zu verstehen, dass nach sämtlichen Vorschäden und nicht nur nach dem letzten Vorschaden gefragt wird (OLG Koblenz vom 15.01.1999 - 10 U 1574/97). Eine vergleichbare Auslegung ist auch bei einem Schadenfall in der Privathaftpflicht zu beachten.
Verschweigt der Ver­si­che­rungsnehmer bei der Meldung eines Schadens einen erheblichen Vorschaden, ist der Versicherer wegen Obliegenheitsverletzung von seiner Leistung frei. Der Ver­si­che­rungsnehmer kann sich nicht darauf berufen, der Vorschaden sei dem Versicherer wegen Speicherung der entsprechenden Informationen in der EDV bekannt gewesen, weil diese bei der Bearbeitung des Schadens nicht unmittelbar vorliegen, sondern ggf. erst nach einem entsprechenden Entschluss des Sachbearbeiters in der EDV abgerufen werden (OLG Köln vom 26.09.2006 - 9 U 142/05).
Die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit kommt nicht in Betracht, wenn der Ver­si­che­rungsnehmer bei der Schadensanzeige einen Umstand verschweigt, den der Versicherer bereits positiv kennt. Hat der Versicherer einen Vorschaden im Rahmen eines laufenden, auch für die neue Schadensmeldung maßgeblichen Ver­si­che­rungsvertrages über einen bestimmten versicherten Gegenstand selbst reguliert, so kennt er diesen Vorschaden in seinen Einzelheiten (BGH vom 11.07.2007 - IV ZR 332/05).

Sonderfall Pfle­ge­ver­si­che­rung

Die Pflegebedürftigkeit ist nachzuweisen. Wenn der Antrag auf Leistungen aus der Pfle­ge­ver­si­che­rung abgelehnt wird, sollte zunächst Einsicht bei der Kran­ken­kas­se bzw. Kran­ken­ver­si­che­rung genommen werden, um die Ablehnungsgründe genau zu kennen. Der Antragsteller hat mehrere Möglichkeiten, Argumente gegen die Ablehnung zu sammeln. Beispiel: Ist die pflegebedürftige Person bereits Kunde eines Pflegedienstes, so kann man sich die Leistungen dieses Dienstes auflisten lassen oder der eigene Hausarzt kann entsprechend konsultiert werden. Das pedantische Erstellen eines Pflegetagebuches sollte möglichst schon vor der Begutachtung des Medizinischen Dienstes erstellt werden. Um argumentativ gegen die Begutachtung des Medizinischen Dienstes anzugehen, ist ein Widerspruch innerhalb eines Monats nach Erhalt der Ablehnung mit entsprechender Rechtsmittelbelehrung einzulegen. Nach Ablehnung des Widerspruchs bleibt nur der Weg zum Sozialgericht, der aber wenig Kosten verursacht.
Der Vergleich: In vielen Fällen ist die Herbeiführung eines Vergleiches eine für beide Seiten annehmbare Lösung. Beispiel: Bevor Du mit der Ver­si­che­rung über die Deiner Meinung nach angemessene Höhe des Zeitwertes streitest, ist es besser "Zeit und Nerven zu schonen". Nicht selten neigen Ver­si­che­rungskunden auch dazu, bei der Bemessung der Höhe ihrer Schadensforderung etwas "zu überziehen".

13. Dezember 2012


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