Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) Selbstzahlerleistungen beim Arzt: Das sind Deine Rechte
Finanztip-Expertin für Versicherungen
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Flyer, Plakate, Werbefilmchen im Wartezimmer – in einigen Arztpraxen spielen kostenpflichtige Zusatzangebote eine große Rolle. Manchmal preist das Praxispersonal schon bei der Anmeldung allerlei Extras an, die die Krankenkasse nicht bezahlt. Schätzungsweise eine Milliarde Euro geben Patienten jedes Jahr für solche individuellen Gesundheitsleistungen – kurz IGeL – aus. Doch nicht immer ist das Geld sinnvoll investiert, denn der Nutzen vieler dieser Leistungen ist umstritten.
Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind Angebote beim Arzt, die Du als Patient selbst bezahlen musst, weil sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zählen. Dazu gehören häufig Untersuchungen und Behandlungen, deren Nutzen wissenschaftlich (noch) nicht ausreichend nachgewiesen ist. Insbesondere zusätzliche Früherkennungsuntersuchungen sind beliebt – Ultraschalluntersuchungen zur Krebsvorsorge bei der Frauenärztin, eine Messung des Augeninnendrucks beim Augenarzt oder der sogenannte PSA-Test zur Früherkennung von Prostata-Krebs. Der Nutzen dieser Untersuchungen ist umstritten.
Daneben gibt es aber auch IGeL-Leistungen, die für viele sinnvoll sind, die aber dennoch nicht zu den Standardleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, weil sie medizinisch nicht notwendig sind. Dazu gehören zum Beispiel Reiseimpfungen, Atteste für Freizeitaktivitäten wie Tauchen oder die sportmedizinische Untersuchung. Solche Dinge, die Dein Freizeitvergnügen betreffen, musst Du normalerweise aus eigener Tasche begleichen.
Kosmetische Prozeduren musst Du ebenfalls selbst zahlen. Lässt Du Dir beispielsweise ein Tattoo entfernen oder möchtest eine Schönheitsoperation, dann erstattet die Krankenkasse dafür keine Kosten.
Inzwischen bieten aber viele Krankenkassen freiwillige Zusatzleistungen an, in deren Rahmen sie individuelle Gesundheitsleistungen erstatten. Dazu gehören nicht nur Reiseimpfungen, sondern auch viele Früherkennungsuntersuchungen (zum Beispiel für Brust- und Darmkrebs), Tests in der Schwangerschaft sowie Osteopathie und Fitnesskurse. Auch eine sportmedizinische Untersuchung zahlen einige Kassen als freiwilliges Extra.
Wenn solche Leistungen für Dich interessant sind, lohnt es sich deshalb, nach einer Krankenkasse zu suchen, die möglichst viele der von Dir gewünschten Extras übernimmt. So kannst Du hundert Euro im Jahr oder mehr sparen. Finanztip vergleicht jedes Jahr bundesweit tätige Krankenkassen. In unserem Test 2023 boten HKK, TK, HEK und Energie-BKK das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Mehr zu den Leistungen der Kassen liest Du in unserem Ratgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Bei Service, Zusatzleistungen und Beitrag gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Krankenkassen.
Von uns empfohlene Anbieter sind: HKK, TK, Audi BKK, HEK, Energie-BKK und Big direkt gesund.
Ausführliche Informationen zur gesetzlichen Krankenversicherung findest Du in unserem Ratgeber. Mehr zur privaten Krankenversicherung kannst Du hier nachlesen.
Die gesetzliche Krankenversicherung ist ein Solidarsystem. Das bedeutet, dass Du mit Deinen Beiträgen auch die Gesundheitskosten der anderen Versicherten mitfinanzierst. Damit die Ausgaben im Gesundheitssystem bezahlbar bleiben, ist gesetzlich festgelegt, dass die Krankenkassen eine ausreichende Versorgung erbringen, die dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, aber gleichzeitig auch wirtschaftlich ist. Die Krankenversicherung zahlt also nicht jede beliebige Untersuchung.
Welche Leistungen von den Krankenkassen bezahlt werden, das entscheidet der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Das ist ein Gremium, in dem Vertreter von Ärzten und Zahnärztinnen, Krankenhäusern und den gesetzlichen Krankenkassen sitzen. Bevor die Krankenversicherung neue Behandlungsmethoden übernimmt, wird in diesem Ausschuss auf Basis wissenschaftlicher Studien abgewogen, ob die Untersuchung oder Therapie für Patienten und Patientinnen nutzbringend, notwendig und wirtschaftlich ist. Krankenkassen sowie Ärzte und Ärztinnen beurteilen also gemeinsam, ob eine Behandlung wirksam ist und welche Vor- und Nachteile sie gegenüber bereits etablierten Methoden hat.
Kommt der G-BA zu einer positiven Bewertung, dann wird das Verfahren in den Leistungskatalog der Krankenversicherung aufgenommen und alle Kassen müssen es fortan bezahlen. Therapien, die es nicht unter die Kassenleistungen geschafft haben, können Ärzte als IGeL anbieten. Dazu gehören sowohl Behandlungen, die der G-BA negativ bewertet hat (beispielsweise die Sauerstoff-Therapie beim Hörsturz) als auch Methoden, mit denen sich der Ausschuss noch gar nicht befasst hat.
In deutschen Arztpraxen werden wohl Hunderte verschiedene Selbstzahlerleistungen angeboten. Genau beziffern lässt sich das nicht, dazu ist der Markt zu unübersichtlich – es existiert keine Liste aller IGeL.
Ob eine IGeL für Dich sinnvoll ist, kannst Du als medizinischer Laie nur schwer einschätzen. Besonders, wenn es um Vorsorgeuntersuchungen geht, denken viele von uns: Lieber auf Nummer sicher gehen. Doch auch Untersuchungen zur Früherkennung können schädlich sein, zum Beispiel dann, wenn sie zu falschen Befunden oder unnötigen Eingriffen führen.
Nimm Dir deshalb Zeit, um Dich über Nutzen und Risiken angebotener Untersuchungen zu informieren, bevor Du einwilligst. IGeL sind so gut wie nie dringend. Denn wenn ein konkreter Verdacht auf eine Krankheit besteht, zahlt die Krankenversicherung die notwendigen Untersuchungen.
Hilfreiche Informationen zu Nutzen und Risiken verschiedener Therapien findest Du zum Beispiel beim IGeL-Monitor. Das dort beschäftigte Wissenschaftsteam wertet wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit ausgewählter IGeL aus und bereitet die Erkenntnisse für Laien verständlich auf. Von den 53 individuellen Gesundheitsleistungen, die das Team derzeit bewertet hat, schneiden nur zwei „tendenziell positiv“ ab. Für die meisten IGeL zeigte die Studienlage ein unklares Ergebnis oder der potenzielle Schaden überwog den Nutzen der Untersuchung.
Du kannst Leistungen auf der Internetseite des IGeL-Monitors sowohl alphabetisch oder nach der vergebenen Bewertung sortieren. Finanziert wird das Angebot vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen.
Wichtig zu wissen: Für IGeL gibt es keine Qualitätskontrolle. Einige Ärzte bieten Leistungen an, die vom gemeinsamen Bundesausschuss oder von den medizinischen Fachgesellschaften nicht empfohlen werden. So gehört zum Beispiel der Ultraschall zur Früherkennung von Eierstockkrebs zu den am häufigsten verkauften IGeL. Der IGeL-Monitor bewertet diese Untersuchung eindeutig negativ, da es zu vielen falsch positiven Ergebnissen und damit zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen kann. Etwa drei von hundert Frauen werden gesunde, nicht krebserkrankte Eierstöcke entfernt. Zudem sterben genauso viele Frauen, die eine Ultraschalluntersuchung hatten, an Eierstockkrebs wie Frauen, die keine solche Untersuchung hatten. Es gibt also deutliche Risiken, aber ein Beleg für den Nutzen dieser Methode fehlt.
Bei der ebenfalls beliebten Messung des Augeninnendrucks zur Früherkennung von grünem Star konnte das Wissenschaftsteam des IGeL-Monitors hingegen weder aussagekräftige Studien zum Nutzen der Untersuchung finden noch zu Schäden.
Für IGeL gibt es keine festen Preise. Ärzte rechnen solche Leistungen nach der gültigen Gebührenordnung (GOÄ) ab, ausschlaggebend für den Preis ist zudem der Aufwand im individuellen Fall. Die Ärztin kann entweder den einfachen, den 2,3-fachen oder den 3,5-fachen Gebührensatz berechnen. Letzteres muss sie aber begründen, denn der 3,5-fache Höchstsatz darf nur in komplizierten Fällen in Rechnung gestellt werden. Will die Ärztin mehr als den Höchstsatz abrechnen, muss sie mit Dir eine abweichende Honorarvereinbarung abschließen. Ob Du eine solche unterschreibst, solltest Du Dir ganz genau überlegen, denn das kann richtig teuer werden.
Lass Dir in jedem Fall einen Kostenvoranschlag geben, bevor Du in eine IGeL einwilligst. Es kann sich auch durchaus lohnen, Preise bei verschiedenen Praxen zu vergleichen, denn Ärzte und Ärztinnen rechnen sehr unterschiedlich ab. Das kennen viele von der professionellen Zahnreinigung. Für diese IGeL zahlt man in manchen Praxen 80 Euro und in anderen 120 Euro.
Einen Eindruck von der Preisspanne, die für einzelne Leistungen üblich ist, kannst Du beim IGeL-Monitor gewinnen. Dort ist neben der Bewertung des Nutzens auch ein Kostenrahmen für die Leistungen angegeben. Hier ein paar Preisbeispiele (Stand April 2022):
Das Angebot an IGeL ist weitgehend unreguliert – kein Gremium prüft, ob die angebotenen Leistungen nützlich oder schädlich sind. Ein paar Regeln müssen Ärztinnen und Ärzte jedoch beachten, wenn sie Dir Angebote machen, die Du selbst bezahlen sollst. Ergänzend zu den gesetzlichen Vorgaben hat die Bundesärztekammer Regeln festgelegt, an die Ärztinnen und Ärzte sich halten sollten.
Ein Arzt darf Dich sachlich über individuelle Gesundheitsleistungen informieren, anpreisende marktschreierische Werbung ist allerdings verboten. Auch Kassenleistungen dürfen nicht pauschal schlecht gemacht werden. Weder das Praxispersonal noch der Arzt darf Dir eine IGeL aufdrängen (§ 128 Abs. 5a SGB V).
Du hast außerdem Anspruch auf sachliche Beratung über Risiken und Alternativen einer vorgeschlagenen IGeL durch Deinen Arzt. Du musst also die Möglichkeit haben, ihm Fragen zu der Leistung zu stellen, und er muss Dich darauf hinweisen, wenn der Nutzen einer Therapie wissenschaftlich nicht erwiesen ist.
Ein Arzt darf Dir eine notwendige Untersuchung oder Behandlung keinesfalls verweigern, weil Du eine IGeL abgelehnt hast!
Medizinerinnen und Mediziner sind außerdem verpflichtet, Dich vorab zu informieren, wenn eine Methode nicht Kassenleistung ist und Du sie aus eigener Tasche zahlen musst. Sie dürfen nur dann Geld für IGeL von Dir verlangen, wenn sie mit Dir vor Beginn der Behandlung einen schriftlichen Behandlungsvertrag für diese Leistung abgeschlossen haben (§ 3 BMV-Ä). Andernfalls musst Du nicht zahlen.
Auch für Privatversicherte gilt: Will ein Arzt Leistungen abrechnen, die nicht medizinisch notwendig sind, dann muss der Patient dem vorab explizit zugestimmt haben (§1 GOÄ). Bist Du privatversichert, solltest Du am besten vorab mit Deiner Versicherung klären, ob sie die Kosten für die vorgeschlagene Behandlung übernimmt.
Verstößt ein Arzt gegen die oben genannten Regeln – also will Dich zum Beispiel nur behandeln, wenn Du auch eine IGeL in Anspruch nimmst – dann solltest Du das bei der Ärztekammer oder der Kassenärztlichen Vereinigung in Deinem Bundesland melden.
Eine Einschätzung dazu, ob der Arzt sich korrekt verhalten hat, bekommst Du kostenfrei von der Unabhängigen Patientenberatung. Zudem sammeln die Verbraucherzentralen mit dem Projekt Igel-Ärger Erfahrungsberichte rund um IGeL-Leistungen und beantworten Fragen dazu.
Einer Umfrage des IGeL-Monitors zufolge werden acht von zehn IGeL von Ärztinnen und Ärzten oder deren Mitarbeitern angeboten. Deutlich seltener ging die Initiative für eine solche Leistung von den Patientinnen selbst aus. Für den Fall, dass Dir beim nächsten Arztbesuch zusätzliche Leistungen vorgeschlagen werden, die Du selbst bezahlen musst, haben wir ein paar Tipps für Dich:
Bevor Du einer IGeL zustimmst, solltest Du das Gespräch mit Deiner Ärztin suchen. Frage ganz konkret nach dem Nutzen, aber auch den Risiken der angebotenen Leistung. Gibt es Belege für deren Wirksamkeit? Warum wird die Untersuchung oder Behandlung nicht von der Krankenkasse bezahlt? Inwiefern können durch die IGeL Folgen einer Krankheit besser vermieden oder behandelt werden als durch die Kassenleistungen?
Deine Ärztin ist verpflichtet, Dich ausführlich und verständlich aufzuklären. Lass Dich nicht mit Werbebroschüren abspeisen. Die Aufklärung darf nur ein Mediziner oder eine Medizinerin leisten und nicht das Praxispersonal. Deine Ärztin sollte Dich nicht unter Druck setzen oder Dir Angst machen – Du als Patient kannst frei entscheiden, ob Du eine vorgeschlagene IGeL in Anspruch nehmen möchtest.
Du musst Dich nicht sofort für oder gegen eine IGeL entscheiden. Solche Leistungen sind so gut wie nie dringend und Ärzte sind verpflichtet, Dir eine angemessene Bedenkzeit zu gewähren. Eine zusätzliche Krebsvorsorgeuntersuchung etwa kannst Du auch beim nächsten Termin machen lassen. Und immer wenn ein konkreter Verdacht auf eine Krankheit besteht, zahlt die Krankenkasse ohnehin die benötigten Tests.
Wenn Du eine IGeL (erstmal) ablehnst, musst Du übrigens nichts unterschreiben. Einige Praxen fordern Patientinnen und Patienten auf, schriftlich zu dokumentieren, dass sie eine IGeL nicht wollen. Solche Formulare musst Du nicht unterzeichnen. IGeL sind nicht medizinisch notwendige Leistungen, zu denen Du jederzeit nein sagen kannst. Daraus ergeben sich keine Haftungsfragen für den Arzt.
Wenn Du Dir mit einer IGeL nicht ganz sicher bist, dann hol Dir zusätzliche Informationen. Der IGeL-Monitor ist eine gute Anlaufstelle dafür. Informationen und Beratung bekommst Du außerdem bei der Unabhängigen Patientenberatung, dem Portal Patienten-Information.de im Auftrag von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung sowie bei der zahnärztlichen Patientenberatung.
Es kann sich auch lohnen, bei Deiner Krankenkasse nachzufragen, ob sie die Leistung tatsächlich nicht übernimmt und aus welchen Gründen. Womöglich zahlt sie als freiwillige Zusatzleistung doch einen Zuschuss oder übernimmt die Kosten der Untersuchung, wenn bei Dir bestimmte Risikofaktoren vorliegen. Falls das nicht der Fall ist, kannst Du Dich bei der Kasse erkundigen, ob es vergleichbare Leistungen gibt, deren Kosten sie übernimmt.
Dein Arzt ist verpflichtet, Dich vorab schriftlich über die ungefähren Kosten einer Selbstzahlerleistung zu informieren. Verlange einen Kostenvoranschlag, damit Du weißt, was auf Dich zukommt. Der genaue Rechnungsbetrag hängt vom individuellen Aufwand bei der Untersuchung ab. Ein Pauschalhonorar für eine IGeL ist unzulässig, Mediziner müssen nach der Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) abrechnen.
Bevor es losgeht, ist ein schriftlicher Behandlungsvertrag Pflicht. Ohne einen solchen Vertrag darf der Arzt Dir für eine IGeL nichts berechnen. Im Behandlungsvertrag müssen die einzelnen Leistungen möglichst konkret aufgeführt werden samt Gebührenziffern und Steigerungssatz. Falls der Arzt eine kostenpflichtige Untersuchung oder Behandlung vorgenommen hat, ohne dass Du vorher einen solchen Vertrag unterschrieben hast, musst Du nicht zahlen.
Ein Beispiel für einen Behandlungsvertrag findest Du am Ende dieser Broschüre der Bundesärztekammer.
Eine IGeL solltest Du niemals vorab bezahlen. Du hast Anspruch auf eine korrekte Rechnung. Darin müssen alle erbrachten Leistungen aufgelistet sein, das Datum der Behandlung, die Gebührenziffern nach GOÄ und der jeweilige Steigerungssatz sowie der Betrag jeder Einzelleistung und der Gesamtrechnungsbetrag (§ 12 GOÄ). Will ein Arzt den 3,5-fachen Gebührensatz abrechnen, muss er das auf der Rechnung nachvollziehbar begründen.
Du musst auch nicht sofort nach der Behandlung bezahlen, sondern kannst die Rechnung in Ruhe prüfen. Eine gesetzlich festgelegte Zahlungsfrist gibt es nicht. Üblich sind bei Arztrechnungen Fristen von 14 oder 30 Tagen. Schau nach, was auf der Rechnung festgelegt ist.
Bekommst Du keine Rechnung, die der Gebührenordnung der Ärzte entspricht, musst Du übrigens überhaupt nicht zahlen.
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