Zuzahlungsbefreiung Medikamente So bekommst Du einen Teil Deiner Arzneimittel gratis
Finanztip-Expertin für Versicherungen
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Wer gesetzlich krankenversichert ist, muss bei bestimmten Leistungen der Krankenkasse etwas aus eigener Tasche zuzahlen, etwa bei einem Krankenhausaufenthalt oder für Hilfsmittel und Medikamente. Damit die Zuzahlungen niemanden finanziell überfordern, gibt es eine individuelle Belastungsgrenze. Sie beträgt 2 Prozent des jährlichen Familien-Bruttoeinkommens. Für chronisch Kranke liegt sie bei 1 Prozent. Hast Du die Belastungsgrenze erreicht, kannst Du Dich von weiteren Zuzahlungen befreien lassen. Dafür musst Du aber selbst aktiv werden.
Gesetzlich Krankenversicherte müssen bei verschreibungspflichtigen Medikamenten grundsätzlich 10 Prozent der Kosten selbst tragen – mindestens 5 Euro, höchstens 10 Euro (§ 61 SGB V). Es gibt aber auch mehrere Tausend Medikamente, für die Patienten nichts zuzahlen müssen. Eine Liste der zuzahlungsfreien Medikamente findest Du beim Spitzenverband der Krankenkassen.
Rezeptfreie Arzneimittel erstatten die Krankenkassen in der Regel nicht. Kinder unter 18 Jahren sind von allen Arzneimittelzuzahlungen befreit. Für Kinder unter zwölf Jahren sowie Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gilt außerdem, dass die Kasse grundsätzlich auch alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel erstattet (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB V).
Bei stationären Behandlungen müssen Patienten je Kalendertag 10 Euro zuzahlen, maximal für 28 Tage. Für Physio-, Ergo- oder Sprachtherapie sowie andere sogenannte Heilmittel und häusliche Krankenpflege beträgt die Zuzahlung 10 Prozent der Kosten sowie 10 Euro je Verordnung. Ansprechpartner für alle Fragen zu Zuzahlungen ist Deine Krankenkasse.
Bei Service, Zusatzleistungen und Beitrag gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Krankenkassen.
Von uns empfohlene Anbieter sind: HKK, TK, Audi BKK, HEK, Energie-BKK und Big direkt gesund.
Ausführliche Informationen findest Du in unserem passenden Ratgeber.
Hast Du die Belastungsgrenze innerhalb eines Jahres erreicht, muss die Krankenkasse Dir eine entsprechende Bescheinigung darüber ausstellen, dass Du für den Rest des Kalenderjahrs nichts mehr zuzahlen musst (§ 62 SGB V). In die Berechnung fließen sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Zuzahlungen ein – für Arzneimittel, stationäre Behandlungen, Heil- und Hilfsmittel sowie häusliche Krankenpflege. Welche Eigenanteile hingegen nicht berücksichtigt werden, erklären wir weiter unten im Text.
Die Belastungsgrenze wird nach dem Familien-Bruttoeinkommen berechnet. Deshalb kommt es darauf an, wie viele Personen im gemeinsamen Haushalt leben. Gezählt werden Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner sowie Kinder (ab dem 18. Geburtstag jedoch nur, wenn das Kind familienversichert ist).
Sind die Kinder als Student oder Auszubildender selbst versichert, bleiben deren Einkommen und Zuzahlungen für den Familienhaushalt unberücksichtigt, selbst wenn sie im Haushalt der Eltern leben. Für sie wird die persönliche Belastungsgrenze dann individuell berechnet. Auch unverheiratete Paare werden bei der Berechnung getrennt betrachtet und zählen nicht als gemeinsamer Haushalt, selbst wenn sie zusammenwohnen.
Andere Angehörige als Kinder oder Partner kann die Kasse nach einer Einzelfallprüfung in die Berechnung des Familieneinkommens einbeziehen, sofern diese ihren gesamten Lebensunterhalt gemeinsam mit der Familie bestreiten. Dann sind sowohl deren Einnahmen als auch deren geleistete Zuzahlungen zu berücksichtigen.
Zum Einkommen gehören grundsätzlich alle Einnahmen, unabhängig davon, wie sie steuerlich zu behandeln sind:
Es zählen also auch Einnahmen, auf die Du keine Krankenversicherungsbeiträge entrichten musst. Nicht dazu zählt hingegen Kindergeld, Wohngeld oder Bafög.
Du musst der Krankenkasse Dein Bruttoeinkommen anhand geeigneter Belege wie Verdienstbescheinigungen, Rentenbescheide oder Bescheide der Agentur für Arbeit nachweisen.
Vom Familien-Bruttoeinkommen sind die Freibeträge für jeden Familienangehörigen abzuziehen. Als Freibetrag wird für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden erwachsenen Angehörigen ein Betrag in Höhe von 15 Prozent der jährlichen Bezugsgröße angerechnet (§ 62 Abs. 2 SGB V). Als Bezugsgröße gilt das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr (§ 18 SGB IV).
2020 | 2021 | 2022 | 2023 | |
---|---|---|---|---|
für Ehepartner | 5.733 € | 5.922 € | 5.922 € | 6.111 € |
für jedes Kind | 7.812 € | 8.388 € | 8.548 € | 8.952 € |
Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: 27. Dezember 2022)
Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft die Belastungsgrenze für die Zuzahlungsbefreiung, die ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Gesamteinkommen von 60.000 Euro brutto im Jahr 2022 hätte.
Jahresbruttoeinkommen Ehefrau | 40.000 € |
Jahresbruttoeinkommen Ehemann | 20.000 € |
Jahresbruttoeinkommen gesamt | 60.000 € |
- Freibetrag Ehegatte | - 6.111 € |
- Freibetrag 2 Kinder | - 17.902 € |
= zu berücksichtigendes Familieneinkommen | 35.987 € |
davon | |
Belastungsgrenze 2 % | 720 € |
Werte gerundet
Quelle: Finanztip-Berechnung (Stand: 27. Dezember 2022)
Die Beispielfamilie muss also im Jahr 2023 zusammen höchstens rund 720 Euro zuzahlen. Ist ein Familienmitglied chronisch krank, liegt der Höchstbeitrag mit rund 360 Euro bei der Hälfte.
Bei der Berechnung der Belastungsgrenze addierst Du grundsätzlich alle Zuzahlungen, also auch Zuzahlungen bei einem Krankenhausaufenthalt oder bei stationären Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen. Daher solltest Du alle Zuzahlungsbelege sammeln. Wichtig ist, dass auf den Belegen folgende Angaben stehen:
Kosten, die keine „echten“ Zuzahlungen sind, kannst Du Dir nicht anrechnen lassen, etwa wenn Dein Arzt ein teures Medikament verschrieben hat, das die Kasse nicht übernimmt. Da die Preise der Präparate trotz des gleichen Wirkstoffs oft sehr unterschiedlich sind, haben die Krankenkassen festgelegt, welchen Höchstbetrag sie für eine Gruppe von vergleichbaren Medikamenten übernehmen.
Verschreibt der Arzt ein Medikament, das teurer ist als der Festbetrag, musst Du als Patient die Differenz zwischen dem tatsächlichen Preis und dem Festbetrag selbst tragen. Dieser Aufpreis wird nicht als Zuzahlung gewertet. Ärzte müssen über solche Mehrkosten informieren.
Folgende Aufwendungen kannst Du ebenfalls nicht abziehen:
Sobald Du die Belastungsgrenze innerhalb eines Kalenderjahrs erreicht hast, kannst Du bei Deiner Krankenkasse eine Befreiung beantragen. Einen entsprechenden Vordruck bekommst Du von Deiner Kasse. Den Antrag kannst Du bis zu vier Jahre rückwirkend stellen. Genehmigt die Kasse ihn, ist Deine gesamte im gemeinsamen Haushalt lebende Familie von Zuzahlungen befreit.
Einige Kassen bieten als Service auf ihren Websites an, dass Du mithilfe eines Rechners Deine individuelle Belastungsgrenze bestimmst und elektronisch Deine bereits geleisteten Zuzahlungen dokumentieren kannst. Diese Nachweise kannst Du zusammen mit dem Antrag bei Deiner Krankenkasse einreichen.
Sobald die Krankenkasse Deine Angaben geprüft hat, bekommst Du einen Bescheid darüber, dass Du für den Rest des Kalenderjahrs von Zuzahlungen befreit bist. Das bedeutet, dass sämtliche Zuzahlungen bis zum nächsten Jahr entfallen. Den Befreiungsbescheid kannst Du dann vorzeigen, wenn jemand eine Zuzahlung von Dir verlangt.
Reichst Du den Antrag erst am Ende des Jahres ein oder hast Du bereits mehr gezahlt, als Dir zumutbar war, erstattet Dir die Krankenkasse den entsprechenden Betrag.
Bei einigen Krankenkassen kannst Du den Betrag in Höhe Deiner Zuzahlungsgrenze im Voraus einzahlen. Die Krankenkasse befreit Dich dann sofort von weiteren Zuzahlungen. Dadurch ersparst Du Dir das Sammeln der Belege.
Vorsicht: Wenn Du Dich im laufenden Kalenderjahr von Zuzahlungen befreien lässt, dann gilt diese Befreiung zunächst nur vorläufig. Sollte sich während des Rests des Jahres etwas Wesentliches an Deinem Einkommen oder Deinen persönlichen Verhältnissen ändern, kann die Krankenversicherung Deine Belastungsgrenze neu berechnen (§ 48 SGB X). Das kann zum Beispiel passieren, wenn Du heiratest, nach Arbeitslosigkeit einen Job findest oder von Teilzeit in Vollzeit wechselst mit einem deutlich höheren Gehalt. Steigt Deine Belastungsgrenze dadurch, dann musst Du gegebenenfalls nachzahlen. Und zwar den Differenzbetrag zur neu errechneten Belastungsgrenze – unabhängig davon, wie häufig Du die Zuzahlungsbefreiung in der Zwischenzeit überhaupt genutzt hast.
Willst Du auf Nummer sicher gehen, dass Du nicht nachzahlen musst, dann warte bis zum Jahresende, bevor Du den Antrag auf die Zuzahlungsbefreiung stellst. Die Krankenkasse erstattet Dir dann zu viel gezahltes Geld zurück. Der Nachteil ist, dass Du das Geld zunächst vorstrecken und über das gesamte Jahr Belege für Deine geleisteten Zuzahlungen sammeln musst.
Zuzahlungen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten und andere selbst übernommene Krankheitskosten kannst Du unter Umständen als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen. Die Kosten erkennt das Finanzamt allerdings nur dann an, wenn sie die zumutbare Eigenbelastung überschreiten. Mehr dazu liest Du in unserem Ratgeber zu außergewöhnlichen Belastungen.
Für Versicherte, die wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt eine geringere Belastungsgrenze von nur 1 Prozent des jährlichen Familien-Bruttoeinkommens. Schwerwiegend chronisch erkrankt ist jemand, der wegen der Krankheit wenigstens ein Jahr lang mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde und der eines der folgenden Kriterien erfüllt:
Um als chronisch krank eingestuft zu werden, musst Du der Krankenkasse eine Bescheinigung von Deiner Ärztin oder Deinem Arzt vorlegen. Den entsprechenden Vordruck (Muster 55) sollte die Arztpraxis parat haben. Ob Deine Erkrankung als schwerwiegend und chronisch anerkannt wird, entscheidet die Krankenkasse.
Die Sonderregelung für Chroniker gilt erst, nachdem die chronische Krankheit mindestens ein Jahr lang behandelt wurde. Die reduzierte Zuzahlungsgrenze tritt dann ab dem 1. Januar des Kalenderjahres in Kraft, in dem die ersten zwölf Monate der Behandlung vorbei sind.
Ein Beispiel: Du befindest Dich seit 31. März 2022 wegen Diabetes in Behandlung. Warst Du bis zum 30. März 2023 wenigstens einmal im Quartal deswegen in ärztlicher Behandlung, liegt eine Dauerbehandlung vor. Die individuelle Belastungsgrenze von 1 Prozent gilt dann rückwirkend ab dem 1. Januar 2023.
Dafür, dass die Chroniker-Regelung greift, gibt es seit 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz weitere Voraussetzungen. Die niedrigere Belastungsgrenze gilt für Menschen, die nach dem 1. April 1972 geboren sind, nur dann, wenn sie vor ihrer Erkrankung regelmäßig an den gesetzlich vorgesehenen Gesundheits- und Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen haben (etwa zur Krebsfrüherkennung). Ansonsten liegt die Grenze bei 2 Prozent.
Kannst Du die Vorsorgeuntersuchungen nicht nachweisen, dann gilt für Dich die niedrigere Belastungsgrenze nur, wenn Du an einem sogenannten strukturierten Behandlungsprogramm für Deine chronische Erkrankunge teilnimmst (§ 62 Abs. 1 SGB V). Mehr Informationen zu diesen Programmen bekommst Du bei Deiner Krankenkasse.
Eine Ausnahme von der Pflicht zur Teilnahme an Gesundheits- und
Krebsfrüherkennungsuntersuchungen gibt es: Frauen, die nach dem 1. April 1987 geboren sind und Männer mit Geburtstag nach dem 1. April 1962, müssen sie einmal ärztlich zu Chancen und Risiken von Früherkennungsuntersuchungen für Brust- und Gebärmutterhalskrebs beziehungsweise Darmkrebs beraten lassen. Die Beratung muss innerhalb von zwei Jahren stattfinden, nachdem das Anspruchsalter für die Untersuchung erreicht ist. Für einige Jahrgänge ist diese Chance jedoch bereits vertan, denn die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs wird ab dem Alter von 20 empfohlen, das Mammografie-Screening ab 50 Jahren und eine Darmspiegelung ab 55 Jahren für Frauen und ab 50 Jahren für Männer. Die Beratung muss in einem Präventionspass dokumentiert werden, den Du in der Arztpraxis einfordern kannst. Weitere Details und Ausnahmen sind in der Chroniker-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses geregelt.
Wer Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe), Bürgergeld oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezieht, muss weniger zuzahlen (§ 62 Abs. 2 Satz 4 ff. SGB V). Die Belastungsgrenze wird ermittelt, indem als Familien-Bruttoeinkommen nur der Regelsatz des Haushaltsvorstandes zählt. Dieser liegt 2023 bei 502 Euro monatlich (6.024 Euro jährlich). Für ihre Bedarfsgemeinschaft müssen Leistungsempfänger demnach folgende Zuzahlungen im Kalenderjahr 2023 leisten:
Sozialhilfeempfänger, die bereits innerhalb kurzer Zeit relativ hohe Summen zuzahlen müssen, können mit den Sozialhilfeträgern vereinbaren, dass diese die Zuzahlungen wie ein Darlehen übernehmen. Dadurch können sie ihre Belastung über mehrere Monate verteilen. Voraussetzung ist, dass sich die Krankenkasse vorher mit den Sozialhilfeträgern darauf verständigt.
Den Befreiungsausweis für Sozialhilfeempfänger erstellt die Krankenkasse. Er enthält
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