Kindergrundsicherung

So sollen Familien künftig unterstützt werden

Expertin für Recht - Dr. Britta Beate Schön
Dr. Britta Beate Schön
Finanztip-Expertin für Recht

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach monatelangem Streit hat sich die Bundesregierung geeinigt: Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 kommen.
  • Ziel der Reform ist es, die bisherigen Leistungen für Kinder zu bündeln, damit Familien einfacher, einheitlicher und gezielter unterstützt werden.
  • Geplant sind ein einkommensunabhängiger Garantiebetrag und ein einkommensabhängiger Zusatzbetrag.

So gehst Du vor

  • Über das Onlineportal der Kindergrundsicherungsstelle, das noch in Planung ist, wirst Du die Leistungen beantragen können.
  • Voraussichtlich bis 2025 musst Du weiterhin Deine Anträge für bestimmte Leistungen bei den jeweiligen Behörden stellen.
  • Das Kindergeld und den Kinderzuschlag beantragst Du bei der Familienkasse, das Bürgergeld beim Jobcenter und die Sozialhilfe beim Sozialamt.

Das Kindergeld und den Kinderzuschlag erhältst Du von der Familienkasse, das Bürgergeld vom Jobcenter, die Sozialhilfe vom Sozialamt und den Unterhaltsvorschuss von der Unterhaltsvorschussstelle – Familien haben es zurzeit nicht leicht, in Deutschland Leistungen für ihre Kinder zu beantragen. Doch mit der Kindergrundsicherung soll das Behördenchaos endlich ein Ende haben. Wir erklären Dir alles, was Du über die geplante Kindergrundsicherung wissen musst.

Warum kommt die Kindergrundsicherung?

Kindergeld, Kinderzuschlag, Bildungs- und Teilhabepaket oder Kinderfreibetrag – all dies sind familienbezogene Leistungen des Staates, um Familien in Deutschland finanziell zu entlasten. Mittlerweile zählt das Bundesfamilienministerium rund 150 einzelne Familienleistungen. Doch trotz der Vielzahl an Maßnahmen und Ausgaben des Staates von Hunderten Milliarden Euro im Jahr ergab eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene in Deutschland armutsgefährdet ist.

Denn die Maßnahmen haben einen Haken: Sie müssen bei unterschiedlichen Behörden beantragt werden. Eine einheitliche Behörde, die die Anträge aller Leistungen bearbeitet, gibt es nicht. Das ist mühsam und zeitraubend und führt dazu, dass laut Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) nur 30 Prozent der berechtigten Familien alle Leistungen beantragen, die ihnen auch zustehen.

Die Bundesregierung versucht nun, mit der angekündigten Kindergrundsicherung das Problem zu lösen, indem sie die wesentlichen Leistungen bündelt. Das Ziel: Durch die Reform soll das Wirrwarr an Leistungen entflechtet werden, damit die Gelder einfacher, einheitlicher und gezielter an bedürftige Familien verteilt werden können.

Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 kommen und mit 2,4 Milliarden Euro zusätzlich zu den bisherigen Leistungen bezuschusst werden. Darauf hat sich die Bundesregierung Ende August 2023 geeinigt. Der Zuschuss soll die Kosten für die Zusammenführung der Leistungen und Verwaltung abdecken – generelle Leistungserhöhungen sind laut der Regierung zurzeit noch nicht vorgesehen.

Außerdem soll die Kindergrundsicherung nur noch aus zwei Leistungen bestehen: aus dem einkommensunabhängigen Garantiebetrag für Kinder und Jugendliche (Kindergarantiebetrag) und dem einkommensabhängigen Zusatzbetrag (Kinderzusatzbetrag).

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Wie sehen die bisherigen Förderungen für Kinder aus?

Der Staat bietet derzeit rund 150 Leistungen an, die Familien beantragen können. Im Folgenden werden die bekanntesten Förderungen für Kinder vorgestellt, die dann in einer Kindergrundsicherung gebündelt werden sollen.

Kindergeld

Die wohl bekannteste Förderung für Kinder in Deutschland ist das Kindergeld. Rund 48 Milliarden Euro zahlte der deutsche Staat nach Angaben der Familienkasse im Jahr 2022 an mehr als 17 Millionen Kinder aus – knapp 400 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Ziel des Staates ist es, mit monatlich 250 Euro pro Kind die grundlegende Versorgung jedes Kindes in Deutschland zu gewährleisten.

Berechtigt sind grundsätzlich alle Eltern mit deutscher Staatsangehörigkeit, die mit ihren Kindern in Deutschland wohnen. Eltern mit ausländischer Staatsangehörigkeit können unter bestimmten Voraussetzungen auch Kindergeld beantragen.

Kinderzuschlag

Der Kinderzuschlag ist eine Ergänzung zum Kindergeld und soll Eltern mit geringem Einkommen zusätzlich unterstützen. Hierfür zahlte der Staat laut den Familienkassen 2022 knapp 1,3 Milliarden Euro an Familien aus – 20 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Das Problem: Nur etwa ein Drittel der berechtigten Haushalte in Deutschland beantragen aktuell tatsächlich diese Sozialleistung. Das geht aus einer kleinen Anfrage der Linken aus dem Februar 2023 hervor. Berechtigte sollten daher unbedingt einen Antrag bei der zuständigen Familienkasse stellen. Mehr Informationen zu den Voraussetzungen findest Du schnell und einfach in unserem Ratgeber zum Kinderzuschlag.

Die Höhe des Kinderzuschlages kann nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bis zu 250 Euro monatlich betragen und hängt vom monatlichen Durchschnittseinkommen der letzten sechs Monate ab. Um den Kinderzuschlag zu erhalten, darf die Mindesteinkommensgrenze von 900 Euro brutto für Elternpaare und 600 Euro brutto für Alleinerziehende nicht unterschritten werden. Berechtigt sind hier unter bestimmten Voraussetzungen alle Kinder bis zum 25. Lebensjahr.

Bildungs- und Teilhabepaket

Das Bildungs- und Teilhabepaket ist eine weitere Förderung, um Familien mit geringem Einkommen finanziell unter die Arme zu greifen. Durch die zusätzlichen Leistungen des Staates können Kinder Schul- und Freizeitangebote nutzen, für die das Geld in der Regel nicht reichen würde.

Beispielsweise übernimmt der Staat entstehende Kosten bei Klassenfahrten und Ausflügen oder zahlt einen Teil der Mitgliedsgebühren des Sportvereins. Auch Kosten für Schulmaterialien, das Schulessen oder Nachhilfe werden vom Staat erstattet. Eigene zusätzliche Leistungen bieten auch Gemeinden an.

Der Antrag für das Bildungs- und Teilhabepaket kann bei der Behörde gestellt werden, die bisher schon andere Sozialleistungen gewährt hat oder bei der schon Leistungen beantragt wurden. Nähere Informationen findest Du auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Bürgergeld für Kinder

Das Bürgergeld (SGB II) ist eine staatliche Leistung für bedürftige Menschen, die zwar arbeiten können, aber keinen Anspruch auf Ar­beits­lo­sen­geld haben. Es wurde im Januar 2023 eingeführt und löste das bisherige Ar­beits­lo­sen­geld II (Hartz IV) sowie Sozialgeld ab.

Um das Bürgergeld vom Jobcenter zu erhalten, müssen drei Voraussetzungen erfüllt werden: Der Antragsteller muss erwerbsfähig und bedürftig sein sowie in Deutschland wohnen. Wichtig: Stehen dem Antragsteller andere Sozialleistungen zu, dann müssen diese zuerst beantragt werden. Erst wenn alle möglichen Leistungen ausgeschöpft sind, gibt es Bürgergeld.

Für Kinder von null bis fünf Jahren liegt der Regelbetrag laut Gesetz zurzeit bei 318 Euro, für Kinder von sechs bis 13 Jahren bei 348 Euro und für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren bei 420 Euro. Nicht erwerbstätige Erwachsene unter 25 Jahren, die noch im Haushalt ihrer Eltern wohnen, erhalten 402 Euro.

In Deutschland lebten im Sommer 2022 rund 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche in Haushalten, die zu diesem Zeit­punkt Bürgergeld erhielten. Das hat die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie festgestellt. Betroffen waren 13,4 Prozent der jungen Menschen in Westdeutschland und 16 Prozent in Ostdeutschland.

Sozialhilfe für Kinder

Sozialhilfe (SGB XII) ist eine bedarfsorientierte Sozialleistung und dient der Mindestsicherung. Sie kann erst beantragt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten, inklusive Bürgergeld, ausgeschöpft sind. Das heißt: Das Vermögen der Eltern muss größtenteils aufgebraucht sowie Unterhaltsansprüche gegenüber Verwandten oder Leistungen aus der Kranken-, Renten- oder Pfle­ge­ver­si­che­rung ausgereizt sein.

Wichtig: Eine der Voraussetzungen für Sozialhilfe ist auch die Arbeitsunfähigkeit. Sollte der Antragsteller also noch arbeiten können, dann muss dieser zuerst Bürgergeld beantragen oder Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) – Sozialhilfe ist hierfür nicht vorgesehen.

Berechtigte können dann Geld- oder Sachleistungen erhalten wie Möbel, Kleidung oder Spielzeuge fürs Kind. Um diese Leistungen zu bekommen, muss ein Antrag beim Sozialamt vor Ort gestellt werden.

Wie sollen die bisherigen Förderungen gebündelt werden?

Ziel der Reform ist es, das Kindergeld, den Kinderzuschlag, Bürgergeld und Sozialhilfe für Kinder sowie Teile des Bildungs- und Teilhabepakets zu bündeln, damit der Beantragungsprozess für Familien einfacher und übersichtlicher ist. Dementsprechend soll es ab 2025 nur noch zwei Leistungen geben: den einkommensunabhängigen Garantiebetrag und den einkommensabhängigen Zusatzbetrag.

Leistung eins: Garantiebetrag

Der Garantiebetrag soll das derzeitige Kindergeld ersetzen und wird demgemäß 250 Euro betragen. Dieser soll auf Grundlage des Existenzminimumberichts der Bundesregierung alle zwei Jahre angepasst werden. Dieser Betrag ist „garantiert“, das heißt bereits erhaltene Sozialleistungen wie das Bürgergeld der Eltern können mit dem Garantiebetrag nicht verrechnet werden.

Wichtig: Der Garantiebertrag steht – wie das bisherige Kindergeld auch – jedem Kind zu, unabhängig vom Einkommen der Eltern.

Leistung zwei: Zusatzbetrag

Der Zusatzbetrag soll die restlichen Leistungen ersetzen und eine zusätzliche Unterstützung für Familien mit niedrigem Einkommen sein. Dementsprechend hängt die Höhe des Betrages vom Einkommen der Eltern ab. Eine Einkommenshöhe, ab wann kein Anspruch mehr auf den Zusatzbetrag besteht, ist noch nicht festgelegt.

Außerdem soll der Zusatzbetrag nach Alter gestaffelt werden und aus einer Pauschale für Bildung und Teilhabe (derzeit 15 Euro) sowie Kinderwohnkostenpauschale (derzeit 150 Euro) bestehen. Für Alleinerziehende werden Unterhaltszahlungen nur noch zu 45 Prozent als Einkommen in die Berechnung des Zusatzbetrags einfließen – vorher waren es 100 Prozent. Insgesamt könnte die Kindergrundsicherung aus Garantie- und Zusatzbetrag laut Familienministerin Lisa Paus folgende Höchstsätze haben (Stand: August 2023):

  • bis zu 530 Euro für die jüngsten Kinder,
  • bis zu 636 Euro für die ältesten Kinder.

Wichtig: Bevor ein Antrag für die Leistung gestellt werden kann, wird mit dem geplanten Kindergrundsicherungscheck die Bedürftigkeit überprüft.

Wer hat Anspruch auf Kindergrundsicherung?

Die Leistungen der Kindergrundsicherung sollen grundsätzlich alle Kinder bis zum 18. Lebensjahr erhalten. Junge Erwachsene, die eine Ausbildung machen, sollen bis zum 25. Lebensjahr weiterhin unterstützt werden – Studierende sogar bis zum 27. Lebensjahr.

Außerdem ist eine Kindergrundsicherungsstelle geplant, die mit den Berufs- und Hochschulen kooperiert. Mithilfe der Schuldaten kann die Kindergrundsicherungsstelle den volljährigen Kindern, die nicht mehr zu Hause wohnen, den Betrag direkt überweisen.

Wo kannst Du einen Antrag stellen?

Durch die Reform soll es nur noch eine Anlaufstelle für familienbezogene Leistungen geben. Über das Onlineportal der Kindergrundsicherungsstelle sollst Du dann ohne großen Aufwand einen Antrag für Leistungen stellen können. Einkommensnachweise sind nicht mehr erforderlich, da die Kindergrundsicherungsstelle mit den Finanzämtern zusammenarbeiten wird. Zuständig für die Kindergrundsicherungsstelle wird der Familienservice der Bundesagentur für Arbeit sein.

Wichtig: Für Dich wird sich erstmal nichts ändern – die Kindergrundsicherung soll erst ab 2025 kommen. Bis dahin musst Du weiterhin Deine Anträge für bestimmte Leistungen bei den jeweiligen Behörden stellen.

Wie geht es mit der Kindergrundsicherung jetzt weiter?

Die Bundesregierung hat bisher nur Eckpunkte für die Kindergrundsicherung vorgelegt. Bevor das Gesetz zur Kindergrundsicherung verabschiedet werden kann, muss es das übliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.

Zuerst werden die Bundesländer und Kommunen einen Gesetzesentwurf anfertigen und es im Kabinett beschließen. Anschließend geht der fertige Entwurf zur Beratung in den Deutschen Bundestag und wird von Experten in den Ausschüssen angehört. Abschließend wird in Bundestag und Bundesrat über den Gesetzesentwurf abgestimmt. Änderungen am Gesetzesentwurf können noch bis zur Beschlussfassung vorgenommen werden. Das Gesetzgebungsverfahren soll laut dem Bundesfamilienministerium noch 2023 beginnen.

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