Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te Höhe Zum Leben zu wenig

Martin_Klotz
Martin Klotz
Finanztip-Experte für Vorsorge

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te (EU-Rente) wurde zum 1. Januar 2001 abgeschafft und durch die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te (EM-Rente) ersetzt.
  • Bekommst Du bereits eine EM-Rente oder auch Be­rufs­un­fä­hig­keits­rente nach altem Recht, erhältst Du sie auch weiterhin – solange die Voraussetzungen vorliegen.
  • Die Voraussetzungen für die neue EM-Rente sind allerdings höher. Du kannst zum Beispiel in einen anderen Beruf verwiesen werden.
  • Eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te reicht in der Regel nicht zum Leben. Solange Du noch gesund bist, solltest Du daher zusätzlich eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung abschließen.

So gehst Du vor

  • Bist Du nicht mehr in der Lage, einen regelmäßigen Beruf auszuüben, stell einen Antrag auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te bei Deinem Ren­ten­ver­si­che­rungsträger.
  • Lass Dir beim Antrag auf Er­werbs­min­de­rungs­ren­te helfen, zum Beispiel in den Beratungsstellen der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung. 

Wenn Du wegen einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr arbeiten kannst, ist die Sorge um Deine finanzielle Zukunft groß. Früher wurde in einem solchen Fall eine gesetzliche Be­rufs­un­fä­hig­keits- oder Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te gezahlt. Beide wurden jedoch abgeschafft und durch die gesetzliche Er­werbs­min­de­rungs­ren­te ersetzt. Bist Du auf der Suche nach Informationen, weil Du nicht mehr arbeiten kannst, geh zu unserem Ratgeber zur Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. Und finde dort alles, was Du zu der aktuellen gesetzlichen Absicherung wissen solltest.

Was ist die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te?

Die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te war eine Leistung der gesetzlichen Ren­ten­ver­si­che­rung für den Fall der Erwerbsunfähigkeit. Diese Rente wird seit der Rentenreform 2001 nicht mehr gewährt. Hattest Du aber bereits am 31. Dezember 2000 einen Anspruch auf Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te, besteht Dein Anspruch so lange weiter, wie die Voraussetzungen des Paragrafen 44 Sozialgesetzbuch VI alter Fassung vorliegen (§ 302b SGB VI). Bis Du Deine Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rente erreichst. 

Fühlst Du Dich aktuell berufsunfähig, bist nicht mehr in der Lage, einer Arbeit nachzugehen, kommt eine Beantragung der EU-Rente nicht infrage. Du solltest Dich aber mit der Rente wegen Erwerbsminderung auseinandersetzen. Wir haben Dir alle Voraussetzungen zu Deinem Antrag sowie der Höhe Deines Anspruchs im Ratgeber zur Er­werbs­min­de­rungs­ren­te zusammengestellt.

Wenn Du bei Verlust Deiner Arbeitskraft allein auf staatliche Hilfe vertraust, bist Du aber von Armut bedroht. Eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te reicht in der Regel nicht zum Leben. Solange Du noch gesund bist, solltest Du daher zusätzlich eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung (BU) abschließen. Dazu haben wir Dir alle Informationen in unserem Ratgeber Darum solltest Du eine BU abschließen zusammengestellt.
 

Was ist der Unterschied zwischen Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te und Er­werbs­min­de­rungs­ren­te?

Wer nicht mehr arbeiten kann, hat früher eine gewisse Absicherung über ein zweigliedriges System aus Berufs- und Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te erfahren. Eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­rente (BU-Rente) erhielt, wer wegen einer Krankheit oder Behinderung seinen Beruf nur noch zu weniger als 50 Prozent ausüben konnte. Eine EU-Rente hingegen gab es, wenn jemand überhaupt nicht mehr in der Lage war zu arbeiten. 

Dieses System aus gesetzlicher Be­rufs­un­fä­hig­keits- und Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te wurde zum 1. Januar 2001 für Neurentner abgeschafft. Ersetzt wurde es durch die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te, die EM-Rente.

Rente gibt es jetzt unter erschwerten Voraussetzungen

Gegenüber den alten Regelung der gesetzlichen Be­rufs­un­fä­hig­keits- und der EU-Rente hat sich mit der EM-Rente vor allem eines verändert: Der erlernte Beruf spielt für den gesetzlichen Schutz keine Rolle mehr. Es zählt allein, ob Du überhaupt noch irgendeine Arbeit verrichten kannst. Wenn Du etwa Handwerksmeister bist und zum Beispiel einen Knieschaden hast, aber noch ein Taxi fahren könntest, bekämst Du daher keine Rente.

Die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung zahlt die Er­werbs­min­de­rungs­ren­te in zwei Stufen aus. Die volle Er­werbs­min­de­rungs­ren­te erhältst Du, falls Du nicht in der Lage bist, mehr als drei Stunden täglich in egal welchem Job zu arbeiten. Die Rente entspricht in der Höhe etwa der bisherigen EU-Rente. Sofern Du noch zwischen drei und sechs Stunden am Tag arbeiten kannst, bekommst Du die halbe Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. Weiter gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Die Ren­ten­ver­si­che­rung prüft daher zunächst, ob Deine Erwerbsfähigkeit durch Rehabilitationsmaßnahmen wieder hergestellt werden kann. Das muss keine gesundheitliche Maßnahme sein. Es kann auch eine Umschulung für Dich bedeuten.

Vertrauensschutz für ältere Versicherte

Eine Ausnahme von der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te gibt es allerdings: Ältere Versicherte genießen Vertrauensschutz. Falls Du vor dem 2. Januar 1961 geboren bist, profitierst Du damit noch vom alten Recht. Das bedeutet, die Ren­ten­ver­si­che­rung prüft, ob Du in Deinem erlernten oder einem gleichwertigen Beruf noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kannst.

Als gleichwertig und damit zumutbar gilt ein anderer Beruf, wenn er dem bisherigen in Hinblick auf soziales Ansehen und notwendige Fähigkeiten ähnelt. Kann die Ren­ten­ver­si­che­rung Dich auf keine andere Tätigkeit verweisen, bekommst Du als vor 1961 Geborener eine Rente wegen Be­rufs­un­fä­hig­keit. Sie ist allerdings nur so hoch wie die Rente, die Du nach der neuen Regelung auch bei teilweiser Erwerbsminderung bekämst. Damit fällt die Zahlung um ein Viertel niedriger aus als die bis 2001 gewährte gesetzliche Be­rufs­un­fä­hig­keits­rente.

Für Menschen, die bereits vor dem 1. Januar 2001 eine Be­rufs­un­fä­hig­keits- oder Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te bezogen haben, ist alles gleich geblieben. Ihre Rente wird unverändert weitergezahlt, solange die Voraussetzungen dafür stimmen.

Wie hoch ist die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te?

Die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te wurde im Jahr 2001 durch das System der vollen und der teilweisen Er­werbs­min­de­rungs­ren­te ersetzt. Die Höhe der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te hängt ähnlich wie die der Altersrente von der Anzahl der Ver­si­che­rungsjahre und dem individuellen Einkommen ab. Erwarte aber nicht zu viel, denn die Rente beträgt oft deutlich weniger als ein Drittel des letzten Bruttogehalts.

Die durchschnittliche Renten-Auszahlung, also die Nettorente aller Er­werbs­min­de­rungs­ren­ten, lag im Jahr 2023 bei 1.001 Euro. Männer bekamen im Durchschnitt 1.042 Euro, Frauen 965 Euro. In der folgenden Tabelle siehst Du, wie sich die Höhe der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te über die Jahre im Schnitt entwickelt hat. Sowohl bei teilweiser Erwerbsminderung, als auch bei voller Erwerbsminderung.

So hoch ist und war die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te

Jahrdurchschnittliche Rente wegen verminderter Erwerbstätigkeit insgesamt in Eurobei teilweiser Erwerbsminderung in Eurobei voller Erwerbsminderung in Euro

2010

600359640
2011596356634
2012607358646
2013613363650
2014628368664
2015672385711
2016697398736
2017716412754
2018735439776
2019806478853
2020882524936
2021917541972
20229505561.007
20231.0015931.059

Durchschnittliche Zahlbeträge der Renten, Rentenhöhe in Euro pro Monat im Zeitverlauf.
Quelle: Statistik der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung, Rechtenversicherung in Zeitreihen (Stand: Dezember 2024)

Wie viel Er­werbs­min­de­rungs­ren­te Du bekommst, hängt von Deinem individuellen Rentenanspruch ab, sowie der Anzahl der Jahre, die Du schon in die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung eingezahlt hast. Außerdem kommt es darauf an, wie viele Entgeltpunkte Du dabei gesammelt hast und wie lange Du bis zur regulären Altersrente noch arbeiten müsstest.

Entgeltpunkte – umgangssprachlich auch Rentenpunkte genannt – haben einen Wert. Der beträgt aktuell 39,32 Euro pro gesammeltem Punkt. Steigt der Wert der Rentenpunkte mit der Rentenerhöhung zum 1. Juli jeden Jahres, dann steigt auch Deine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. 

Beim Einschätzen Deiner Ansprüche hilft ein Blick in die Renteninformation, die Du einmal im Jahr von der Deutschen Ren­ten­ver­si­che­rung bekommst: Dort steht, wie viel Rente Du derzeit bei voller Erwerbsminderung bekommen würdest.

Schließ eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung als zusätzliche Vorsorge ab

Angesichts der dürftigen gesetzlichen Absicherung solltest Du zusätzlich vorsorgen, um das fehlende Einkommen wenigstens teilweise auszugleichen. Den umfangreichsten Schutz bietet eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung.

Diese zahlt, sobald Du in Deinem zuletzt ausgeübten Beruf aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr arbeiten kannst. Ob die Ursache dafür in einer psychischen oder körperlichen Erkrankung liegt, ist unerheblich. Die Rente gibt es also auch dann, wenn Du theoretisch oder praktisch noch einen anderen Job machen könntest. Damit sind die Voraussetzungen für die Zahlungen niedriger als bei der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. Auch Geld hinzuzuverdienen ist möglich.

Eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung ist allerdings für manche Berufe recht teuer und vor allem für Menschen mit Vorerkrankungen nicht leicht zu bekommen. Deshalb ist eine umfassende Beratung bei einem qualifizierten Ver­si­che­rungsmakler oder -berater wichtig.

Mehr dazu im Ratgeber Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung

  • Die staatliche Er­werbs­min­de­rungs­ren­te reicht nicht aus, eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung ist für fast jeden sinnvoll.

  • Von uns emp­foh­lene Makler: Hoesch & Partner, Buforum24, Zeroprov, Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung, P&F (früh-gewinnt.de).

Zum Ratgeber

Welche Voraussetzungen gelten für die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te?

Rechtsgrundlage für die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te ist Paragraf 44 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) in alter Form – Juristen schreiben dann einfach a.F. hinter die Norm. Vor allem die ersten beiden Absätze sind wichtig für Dich. Weil Du die Regelung in ihrer Fassung bis 31. Dezember 2000 vielleicht sonst nicht so einfach findest, haben wir ihre wichtigsten Punkte hier aufgeführt.

In Absatz 1 haben wir Dir die wichtigen Voraussetzungen gefettet. In Absatz 2 die Definition der Erwerbsunfähigkeit.

Paragraf 44 SGB VI a.F. - Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
Absatz 1 Paragraf 44 SGB VI a.F.:
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie

  1. erwerbsunfähig sind,
  2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt haben und
  3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Paragraf 38 Satz 2 ist anzuwenden.

Absatz 2 Paragraf 44 SGB VI a.F.: 
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach Paragraf 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Erwerbsunfähig ist nicht, wer

  1. eine selbständige Tätigkeit ausübt oder
  2. eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Hast Du lange genug in die Ren­ten­ver­si­che­rung eingezahlt?

Eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te gibt es in der Regel nur, wenn Du in den letzten fünf Jahren mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge in die Deutsche Ren­ten­ver­si­che­rung eingezahlt hast. Beachte: Diese 36 Monate müssen kein zusammenhängender Zeitraum gewesen sein. Insgesamt musst Du allerdings mindestens fünf Jahre versichert gewesen sein. Das nennt sich Wartezeit. 

Unter bestimmten Voraussetzungen gelten Zeiträume, in denen Du Krankengeld oder Ar­beits­lo­sen­geld bezogen hast, als Pflichtbeitragszeit, ebenso wie bis zu drei Jahre Kindererziehungszeiten und Militär- sowie Zivildienst. Das bedeutet, diese Zeiten werden dem Rentenkonto wie eine Beschäftigung gutgeschrieben.

Hast Du die Wartezeit für die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te geschafft?

Aufgrund der fünfjährigen Wartezeit sind Berufsanfänger in den ersten Jahren ihres Berufslebens kaum abgesichert. Es gibt allerdings Ausnahmen: Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten spielt die Wartezeit keine Rolle. In einem solchen Fall haben Betroffene, sofern sie zum Zeit­punkt des Unfalls versicherungspflichtig waren, direkt Anspruch auf eine Er­werbs­min­de­rungs­ren­te und Leistungen aus der gesetzlichen Unfall­ver­sicherung.

Allerdings ist es oft schwierig, eine Berufskrankheit anerkannt zu bekommen. Im Jahr 2020 wurden laut der deutschen gesetzlichen Unfall­ver­sicherung (DGUV) nur rund ein Drittel der eingehenden Verdachtsanzeigen als Berufskrankheit gewertet. 

Er­werbs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung als Alternative

Eine Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung kann oder will sich nicht jeder leisten. Insbesondere für Menschen, die körperlich arbeiten, sind die Beiträge oft unerschwinglich. Zu den Alternativen gehört auch die Er­werbs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung. Diese ist gerade für Handwerker deutlich günstiger.

Geld gibt es jedoch nur, wenn Du überhaupt nicht mehr arbeiten kannst. Die Hürden für die Rentenzahlung aus einer Er­werbs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung sind damit genauso hoch wie bei der gesetzlichen Er­werbs­min­de­rungs­ren­te. Dennoch ist die Er­werbs­un­fäh­ig­keits­ren­te aus der privaten Ver­si­che­rung eine geeignete Möglichkeit, die dürftige gesetzliche Absicherung aufzustocken.

Autoren
Julia Rieder

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