Die Ergebnisliste unseres Vergleichsrechners enthält Werbelinks zu Stromtarifen von Check24 und Verivox. Alle Empfehlungen erfolgen redaktionell unabhängig und erfüllen unsere strengen Finanztip-Kriterien.
Wer im falschen Ort wohnt, zahlt zu viel für Heizstrom. Für manche Verbraucher mit Wärmepumpe oder Nachtspeicherheizung lohnt es sich nicht, von ihrem heimischen Stadtwerk zu einem anderen Stromversorger zu wechseln. Nicht, weil es keine guten Angebote für Heizstrom gäbe. Sondern weil bestimmte Kommunen hohe Gebühren verlangen. Diese Erfahrung machte gerade ein Leser von uns, der mit Nachtstrom heizt. Beim neuen Stromanbieter hätte er eigentlich rund 30 Euro weniger im Jahr gezahlt. Nun drohen Mehrkosten von 90 Euro.
Der Grund sind hohe Abgaben, die der Netzbetreiber für die Kommune einzieht – dafür, dass Stromleitungen durch ihr Gebiet laufen. Die sogenannte Konzessionsabgabe soll für Heizstrom maximal bei 0,11 Cent pro Kilowattstunde liegen – überall in Deutschland. Das befand das Bundeskartellamt bereits 2010 und verpflichtete einige große Energieversorger, sich daran zu halten. Der stadteigene Versorger in Bruchsal, wo unser Leser lebt, gehörte nicht dazu und fühlt sich auch nicht an die Regelung gebunden. Schätzungsweise jeder zehnte Heizstromkunde in Deutschland zahlt überhöhte Gebühren – abhängig allein vom Wohnort.
Unser Leser hat die Schlichtungsstelle Energie angerufen, um die Sache zu klären. Wir bleiben für Sie am Ball.
Stromanbieter: „Wir verlieren dadurch Kunden“
Seit Jahren wechseln nur wenige Kunden ihren Anbieter für Heizstrom. Neue Stromverträge gab es 2016 nur für 90.000 Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen – das entspricht einem Anteil von gerade einmal 4,4 Prozent.
Dass es bei einem Wechsel häufiger zu den beschriebenen Problemen kommt, bestätigten uns zwei Stromanbieter. Der neue Versorger unseres Lesers erlebt regelmäßig, dass Netzbetreiber eine höhere Abgabe als 0,11 Cent pro Kilowattstunde verlangen. Trotz des Gutachtens des Kartellamts machten manche weiter, wie es ihnen in den Kram passe, erklärt der zuständige Sachbearbeiter im Unternehmen und konstatiert: „Wir verlieren dadurch Kunden.“ Das Unternehmen sieht die Behörden in der Pflicht, hier zu klären.
Das Bundeskartellamt ist dabei nicht geneigt, eine weitere Untersuchung vorzunehmen. Die Behörde geht davon aus, dass Heizstromkunden in weiten Teilen Deutschlands die niedrigere Konzessionsabgabe zahlen. Schließlich decken die vor acht Jahren untersuchten Unternehmen etwa 70 Prozent des relevanten Marktes ab.
Gesetzliche Klärung dringend notwendig
Ein anderer Stromversorger, den Finanztip zu seinen Erfahrungen befragt hat, diskutiert sogar mit Netzbetreibern, wenn sie höhere Abgaben berechnen wollen. Manchmal sei das erfolgreich, erzählt die Rechtsreferentin des Unternehmens. Es hat etwa 7.000 Heizstrom-Kunden. Rund 700 davon zahlen trotzdem höhere Abgaben. Denn die zuständigen Netzbetreiber lenkten in ihren Fällen nicht ein, sondern erklärten, dass das Gutachten des Bundeskartellamts keine höchstrichterliche Entscheidung sei.
Das Unternehmen hat daher überlegt, gegen seine Benachteiligung zu klagen. Die Aussicht zu gewinnen, hält es aber für eher klein. „Eine gesetzliche Klärung ist dringend notwendig“, sagt die Juristin. Der Gesetzgeber müsse die Verordnung KAV überarbeiten und eindeutig festlegen, wie hoch die Konzessionsabgaben auf Heizstrom sein dürften.
Kunde zahlt 108 statt 16 Euro im Jahr – wegen höherer Abgaben
Dass viele Betreiber von Wärmepumpen und Nachtspeicheröfen heute niedrige Abgaben auf Heizstrom zahlen, verdanken sie dem Bundeskartellamt. 2009 und 2010 führte die Behörde Missbrauchsverfahren gegen 24 große Stromversorger. Es bestand der Verdacht überhöhter Preise. Am Ende verpflichteten sich die meisten Unternehmen, bei der Konzessionsabgabe nur 0,11 Cent pro Kilowattstunde zu berechnen.
Unser Leser und seine Partnerin zahlen dagegen 1,59 Cent pro Kilowattstunde am Tag und 0,61 Cent pro Kilowattstunde bei Nacht. Jahr um Jahr. Ihnen entstanden so allein im letzten Abrechnungsjahr Kosten in Höhe von rund 108 Euro (inklusive Mehrwertsteuer). Rund 16 Euro wären es mit dem niedrigen Abgabensatz.
Die Stadt Bruchsal und ihr Netzbetreiber erklären übereinstimmend, die Einschätzung des Bundeskartellamts sei eine vorläufige Rechtsauffassung und nicht rechtlich bindend. Sie berufen sich bei der Erhebung der Abgaben allein auf die Konzessionsabgaben-Verordnung. In dieser sind unterschiedliche Höchstsätze für Strom und Gas festgelegt. Das Gesetz unterscheidet dabei nicht zwischen Heizstrom und Haushaltsstrom, der Kühlschrank oder Fernseher antreibt. Das Kartellamt sieht aber entscheidende Unterschiede.
Höhere Abgaben behindern Wettbewerber im Heizstrommarkt
Für niedrige Abgaben auf Heizstrom spricht sich die Behörde dabei aus wettbewerblichen Gründen aus. In ihrem Gutachten von 2010 heißt es, Wettbewerber würden erheblich behindert – nämlich wenn ungerechtfertigt hohe Konzessionsabgaben einer Kommune erlaubten, im Vertrieb mit sehr geringer oder ohne Gewinnmarge zu operieren.
Genau dieses Szenario deutet sich am Fall unseres Lesers an: Denn die Preise der Stadtwerke Bruchsal sind überraschend niedrig – ähnlich wie die günstigsten Tarife im Markt. Im Gegensatz zu den Stadtwerken Bruchsal kalkulieren die anderen Anbieter aber mit einer niedrigen Abgabe. Nachdem der neue Versorger unseres Lesers um die höheren Kosten wusste, konnte er seinen günstigen Angebotspreis nicht halten. Für den Kunden bedeutet dies in letzter Konsequenz: Das heimische Stadtwerk zu verlassen, lohnt sich nicht.
Ines Rutschmann ist unsere Energie-Expertin und widmet sich allen Fragen, die sich Verbraucher rund um Strom und Heizen stellen. Über den Strommarkt berichtete sie erstmals 2005 für die Leipziger Volkszeitung. Danach war sie für den Deutschlandfunk und das Solarstrom-Magazin Photon tätig. Ines ist Diplom-Ingenieurin (FH) und hat einen Masterabschluss in Energiemanagement.
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Preise für Heizstrom müssen gesenkt werden, sonst funktioniert die Klimapolitik nicht. Kein Verbraucher baut dann seine Ölheizung aus.
Guten Tag,
Zunächst danke für Ihren Beitrag, der uns immer wieder die Augen öffnet, wie sich Sgromlonzerne verhalten. Das traurige ist, das dies unseren Staat nicht interessiert, nach dem Motto, man hat ja die Gerichte.
Unser Stromanbiester LEW hat jetzt endlch, nach langem, die Strompreise extra aufgelistet.
Wenn ich die staatlichen Abgaben vom >Preis für 1 KW Stunde abziehe komme ich auf einen Aufschlag der sich „Beschaffung und Vertrieb“ nennt auf einen Zuschlag von rund 40 %. Ist dies eigentlich rechtens ? Mir kommt das sehr hoch vor. Gibt es nicht von den Gerichten inzwischen eine festgestellte Gewinnmarche, die vertretbar ist?
Mit freundlichen Grüssen, Michael Heidfeld
Vielen Dank für diesen informativen Artikel!
So absurd das Verhalten der Kommunen auch sein mag, es ist zumindest regional begrenzt (ein paar Meter weiter kann es halt schon wieder anders aussehen) und insgesamt fast schon zu vernachlässigen.
Schlimmer, sehr viel schlimmer, ist der Verhalten des Bundes. Runde 85 % des Strompreises, den ich als Endverbraucher zahle, geht auf staatliches Handeln zurück. Direkte staatliche Abgaben machen locker 50 % des Strompreise aus. Hinzu kommen die staatlich festgelegten Netzentgelte. In Summe bleiben dem Stromanbieter für Einkauf, Vertrieb, Verwaltung und Gewinnmarge meist kaum mehr 15 %.
Im Ergebnis hat Deutschland die höchsten Strompreise Europas. Was ich mich immer frage: Warum starten die sogenannten Verbraucherschützer nicht endlich eine bundesweite Kampagne gegen diese staatliche Abzocke?
Ich persönlich kenne das Problem auch noch zusätzlich im Bezug auf die Netzentgelte. Wenn in dem Netzgebiet zusätzlich noch das „normale“ Netzentgelt berechnet wird und nicht das ermäßigte Netzentgelte, dann ist die Heizstromrechnung im wahrsten Sinne des Wortes der Horror. Insbesondere wenn die Wärmepumpe in der Praxis gar nicht so effizient ist, wie sie einem eigentlich „verkauft“ wurde.
Als normaler Verbraucher hat man es dann schwer. Das Bundeskartellamt macht keine Endverbraucherberatung und kümmert sich wenn überhaupt auch nur um Anbieter, die länderübergreifend tätig sind. Die zuständige Landeskartellbehörde sagt sinngemäß, dass es im wirtschaftlichen Ermessen des Netzbetreibers und somit Kommune liegt, welche Entgeltsätze (Konzessionsabgabe und Netzentgelt) anzurechnen sind. Die Bundesnetzagentur konnte auch nicht helfen.
Es ist erschreckend zu sehen, wie wesentlich diese beiden Entgelte über das Wohl oder Übel (mit)bestimmen können und als Verbraucher muss man dann gegen Windmühlen kämpfen, obwohl man sich ein Heizungssystem angeschafft hat, welches der Staat auch noch direkt oder indirekt über die KfW fördert.
Wird der Heizstrom über einen eigenen Stromzähler gemessen, berechnen die meisten Netzbetreiber reduzierte Entgelte (, obwohl die benötigte Lastmanagementmentverordnung seit Jahren auf sich warten lässt). Sollte ein Netzbetreiber keine reduzierten Entgelte nach einem Versorgerwechsel mehr zulassen wollen, wäre das ein Fall für die Bundesnetzagentur (Stichwort: Diskriminierung von Anbietern).
Probleme können aber bei den Netzentgelten auftreten, wenn höhere Konzessionsabgaben als 0,11 ct/kWh verlangt werden. In unserem Beispiel glaubte der neue Versorger deswegen zunächst, dass der Kunde mit Haushaltsstrom heizt und keine reduzierten Netzentgelte wirken. Nach Protest berechnete der Versorger die Preise mitsamt reduzierter Netzentgelte neu.