Fehlerhafte Widerrufsbelehrung
Baukredit widerrufen und Tausende Euro sparen

Finanztip-Experte für Bank und Börse
Viele Baukreditverträge enthalten eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung: Verbraucher können ihre alte Finanzierung rückabwickeln, ein neues, günstigeres Darlehen für die Restschuld aufnehmen oder aber eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen.
Wie viele Verträge fehlerhaft sind, kann keiner genau sagen. Nach unserer Hochrechnung handelt es sich um rund drei Millionen Verträge.
Verträge ab dem 10. Juni 2010 - Diese Verträge kannst Du noch heute widerrufen, sofern die Widerrufsfrist wegen fehlender Angaben im Darlehensvertrag nicht zu laufen begonnen hatte. Bis zum 20. März 2016 orientierten sich Banken oft an einem gesetzlichen Muster, das nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs intransparent ist.
Altverträge vor dem 10. Juni 2010 - Verträge, die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden, kannst Du nicht mehr widerrufen, auch wenn die Belehrung fehlerhaft war (Art. 229 § 38 EGBGB).
Oft haben Banken zwingende Hinweise weggelassen oder überflüssige und auch falsche Angaben gemacht. Im Folgenden einige Beispiele dazu.
Aufsichtsbehörde - Eine Sparkasse hat in der Widerrufsinformation darauf hingewiesen, dass die Frist erst zu laufen beginne, nachdem der Verbraucher alle Pflichtangaben erhalten hat, wie etwa die Angabe zur zuständigen Aufsichtsbehörde der Sparkassen. Fehlt dann im Vertrag der Hinweis auf die Aufsichtsbehörde, beginnt die Widerrufsfrist nicht (BGH, Urteil vom 22. November 2016, Az. XI ZR 434/15).
Gebäudeversicherung - Auch bei Baufinanzierungen, bei denen Kreditnehmer zusätzlich eine Gebäudeversicherung abschließen mussten, sind oft Fehler passiert, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf gegen die Wüstenrot Bausparkasse zeigt (Urteil vom 30. Juni 2017, Az. I-17 U 144/16). Die hatte versäumt, im Vertrag auf die Gebäudeversicherung als Voraussetzung für den Kreditvertrag hinzuweisen.
Ladungsfähige Anschrift - In etlichen Immobilienkreditverträgen aus den Jahren 2010 bis 2014 fehlt in den Widerrufsinformationen eine ordentliche Postanschrift der Bank mit Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort, an die der Verbraucher seinen Widerruf schicken sollte. Es reicht nicht, wenn im Formular nur das Postfach angegeben wurde (KG Berlin, Beschluss vom 4. März 2019, Az. 8 U 74/17).
Kaskadenverweis - Über den sogenannten Kaskadenverweis zum Beginn der Widerrufsfrist streiten sich die Gerichte. Wer einen solchen Vertrag hat, kann den Beginn der Frist nur herausfinden, wenn er zusätzlich zum Vertrag noch eine Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch aufschlägt (§ 492 BGB) sowie eine weitere im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB).
Der Bundesgerichtshof hatte mehrfach entschieden, dass solche Widerrufsinformationen mit Verweisen auf verschiedene Gesetze richtig und klar sind (Urteil vom 19. März 2019, Urteil vom 19. März 2019, Az. XI ZR 44/18). Dann kam eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der stellte fest, dass diese vielen Verweisungen beim Beginn der Widerrufsfrist gegen europäisches Recht verstoßen (Az. C-66/19).
Darauf reagierte der Bundesgerichtshof umgehend. Er wies in einem Beschluss darauf hin, dass das Urteil des EuGH nichts daran ändere, dass diese Widerrufsinformationen nach deutschem Recht ordnungsgemäß sind – aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit. Gerichte sind an Gesetze gebunden, sie dürfen sie nicht gegen den eindeutigen Wortlaut, den Sinn und Zweck und gegen die Gesetzgebungsgeschichte auslegen, auch wenn sie die europäische Richtlinie nicht korrekt umsetzen (Az. XI ZR 198/19; XI ZR 581/18). Das Urteil des EuGH ändert also nichts daran, dass der Kaskadenverweis nach deutschem Recht ordnungsgemäß ist.
Wichtig: Der Widerruf von Krediten noch Jahre nach Vertragsabschluss ist grundsätzlich weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016, Az. XI ZR 564/15). Es kommt bei der Bewertung der Belehrung nicht auf die Situation beim Vertragsschluss an, ob etwa die Kreditnehmer die Belehrung durch das Gespräch mit dem Bankberater schon richtig verstanden haben (BGH, Urteil vom 21. Februar 2017, Az. XI ZR 381/16).
Ist die Widerrufsbelehrung Deiner Baufinanzierung fehlerhaft, bedeutet das juristisch, dass die gesetzliche 14-tägige Widerrufsfrist aufgrund der falschen Informationen gar nicht anfangen konnte. Verträge mit fehlerhaften Belehrungen, die Du am 11. Juni 2010 oder später abgeschlossen hast, kannst Du deshalb noch heute widerrufen. Nimmst Du für den restlichen Kreditbetrag, die Restschuld, ein neues Darlehen auf, kannst Du von den aktuell sehr niedrigen Zinsen profitieren.
Ein Beispiel: Angenommen, Du hast Anfang 2013 einen Kredit über 200.000 Euro mit zehn Jahren Zinsbindung abgeschlossen, die Zinsen betragen 2,7 Prozent und Du zahlst monatlich 1.000 Euro. Am Ende des Vertrags im Jahr 2023 hättest Du noch eine Restschuld von über 123.700 Euro. Wenn Du aber jetzt aus Deinem Vertrag aussteigst und für den aktuellen Restbetrag einen neuen Kredit für nur 1,2 Prozent Zinsen aufnimmst, beträgt Deine Schuld Anfang 2023 nur noch etwa 117.000 Euro. Das ist eine Ersparnis von rund 6.700 Euro (Stand der Berechnung: 1. Oktober 2019).
Zusätzlich erhältst Du einen sogenannten Nutzungsersatz, weil die Bank mit den Zins- und Tilgungsleistungen bis zum Widerruf wirtschaften konnte. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 22. September 2015 nochmal klargestellt (Az. XI ZR 116/15). Verbraucher erhalten Nutzungsersatz auf bereits geleistete Zahlungen in Höhe der üblichen Verzugszinsen bei Immobilienkreditverträgen, die mit 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Bundesbank angesetzt werden. Dadurch reduziert sich die Restschuld in der Regel um weitere 5 bis 10 Prozent.
Obwohl die Rechtslage für Dich spricht, ist es nicht einfach, aus Deinem Vertrag herauszukommen. Denn Deine Bank wird sich juristisch wehren. Am besten gehst Du in vier Schritten vor.
Du kannst Deinen Kreditvertrag überprüfen lassen, indem Du Dich an einen spezialisierten Rechtsanwalt wendest. Einige unserer Anwaltsempfehlungen bieten eine kostenlose Ersteinschätzung an:
Für den Fall, dass Deine Bank den Widerruf akzeptiert, musst Du innerhalb von 30 Tagen den Restbetrag zurückzahlen, der sich nach der Aufrechnung der gegenseitigen Forderungen ergeben hat. Du brauchst also eine Anschlussfinanzierung.
Hole Dir dazu bei einem Kreditvermittler wie Interhyp, Planethome oder Dr. Klein ein konkretes Angebot für die Umschuldung Deiner derzeitigen Restschuld, die als Orientierungsgröße gut funktioniert. Wir empfehlen für die Umschuldung die folgenden Kreditvermittler:
Mit dem Angebot aus Schritt 2 in der Hinterhand widerrufst Du Deinen Vertrag. Falls Du einen Anwalt mit der Prüfung der Belehrung beauftragt hast, wird er auch den Widerruf für Dich erklären oder Dir dabei behilflich sein. Einige Anwälte geben den Mandanten einen Musterwiderruf an die Hand, den sie selbst abschicken können. Sie übernehmen erst dann, wenn die Bank den Widerruf ablehnt.
Akzeptiert Deine Bank den Widerruf nicht, solltest Du spätestens jetzt einen Anwalt aufsuchen und Dich rechtlich vertreten lassen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Entweder es gelingt Deinem Anwalt, eine gütliche Einigung mit Deiner Bank zu erzielen oder er muss Deinen Widerruf gerichtlich durchsetzen. Besprich unbedingt genau, welche Kosten anfallen.
Die folgenden Kanzleien haben sehr viel Prozesserfahrung zu fehlerhaften Kreditverträgen. Rechtsanwälte, die eine kostenlose Erstberatung anbieten und dem Verbraucher eine schriftliche Ersteinschätzung zukommen lassen, finden sich in der Liste ganz oben.
Sofern Du eine Rechtsschutzversicherung hast, solltest Du abklären, ob sie die Kosten einer Klage übernimmt. Wenn Du den Immobilienkredit für den Neubau Deines Hauses genutzt hast, ist Rechtsschutz eher unwahrscheinlich. Denn die meisten Versicherer haben Bauangelegenheiten aus ihrem Vertrag ausgeschlossen.
Ohne Rechtsschutzversicherung besteht ein großes Kostenrisiko. Besteht noch ein Vertragsverhältnis mit der Bank, berechnet sich der Streitwert für die Anwalts- und Gerichtsgebühren in aller Regel nach dem offenen Darlehenssaldo. Bei einer typischen Baufinanzierung sind das meist 100.000 Euro oder mehr. Entsprechend kommen schnell Anwalts- und Gerichtskosten von mehreren Tausend Euro zusammen.
Die Banken, die vollständig die entsprechende amtliche Musterwiderrufsbelehrung verwendet haben, sind geschützt, selbst wenn das Muster fehlerhaft war. Ein Widerruf ist dann nicht möglich. Dazu dürfen die Banken weder von den inhaltlichen noch von den gestalterischen Vorgaben des Musters abgewichen sein (BGH, Urteil vom 1. März 2012, Az. III ZR 252/11).
Häufig wurden die gesetzlichen Muster mit Zusätzen, Ergänzungen, vermeintlichen Klarstellungen oder auch gestalterischen Elementen so verändert, dass die Belehrung fehlerhaft wurde (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 25. April 2016, Az. 23 U 98/15 zur Sparkasse Hanau; OLG Brandenburg, Urteil vom 21. August 2013, Az. 4 U 202/11 zur Finanzierung des Beitritts zu einem Medienfonds; OLG Brandenburg, Urteil vom 19. März 2014, Az. 4 U 64/12).
Neu: Noch nicht geklärt ist, ob Banken auch dann geschützt sind, wenn sie die europarechtswidrigen Muster mit Kaskadenverweis verwendet haben. Dann können sich die Banken wahrscheinlich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, denn die europäische Richtlinie sieht keinen Mustertext vor.
Bei Abweichung vom Muster war die Wahrscheinlichkeit groß, dass Verbraucher widerrufen konnten. Wir haben die wichtigsten alten Musterbelehrungen zusammengestellt:
Ein Widerruf wandelt den Darlehensvertrag in ein sogenanntes Rückabwicklungsverhältnis um (§§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346, 348 BGB). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 22. September 2015 noch einmal sehr klar dargelegt, wie das Darlehen rückabzuwickeln ist (Az. XI 116/15, Randnummern 7 und 8).
Rückabwicklung - Rein rechtlich werden bei einem Widerruf alle Zahlungen aus dem Darlehensvertrag rückabgewickelt. Das heißt, der Kunde muss der Bank formal die komplette Darlehenssumme samt noch nicht geleisteter Zinsen auf die Restschuld (Wertersatz) innerhalb von 30 Tagen ab Widerruf erstatten. Die Bank muss dem Kunden alle von ihm geleisteten Tilgungen und Zinsen samt den daraus angenommenen Gewinnen (Nutzungsersatz) erstatten.
In der Praxis lassen sich die Forderungen der Bank und des Kunden dann verrechnen. Du musst also nicht die gesamte Darlehenssumme aufbringen und an die Bank zurückbezahlen, sondern nur einen Restbetrag. Dieser Restbetrag entspricht der im Tilgungsplan ausgewiesenen Restschuld, korrigiert um den Saldo aus Wert- und Nutzungsersatz.
Reduzierung des Zinssatzes möglich - Du kannst sogar noch günstiger davonkommen, wenn Du nachweisen kannst, dass Du für Deinen Vertrag einen höheren Zins bezahlt hast, als es damals marktüblich war. In einem solchen Fall musst Du nur die damals üblichen Zinsen auf die Restschuld bezahlen (§ 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. Januar 2013, Az. I-6 U 64/12). Ob der vereinbarte Zins bei Vertragsabschluss marktüblich war, zeigt Dir ein Blick in die entsprechende Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank (Zeitreihe: BBK01.SUD118).
Beispiel: Statt 5,25 Prozent musste der Kreditnehmer nach Widerruf nur noch den damals marktüblichen Zinssatz von 4,46 Prozent bezahlen. Die Sparda Bank Berlin hatte in diesem Vertrag einen Zinssatz vereinbart, der um mehr als 15 Prozent über dem marktüblichen lag. Allein dadurch sparte der Verbraucher über 4.000 Euro (LG Berlin, Urteil vom 13. April 2016, Az. 4 O 316/15).
Im Sommer 2015 haben wir mehr als 20 Rechtsanwaltskanzleien zum Thema „fehlerhafte Widerrufsbelehrung“ angeschrieben, die auf diesen Bereich spezialisiert sind und erfolgreich Mandanten außergerichtlich oder gerichtlich gegenüber einer Bank vertreten haben. Dabei haben wir uns auf die Kanzleien beschränkt, die sich im Vorfeld schon an uns gewandt hatten oder aber auf ihrer Webseite oder bei test.de ihre Erfolge veröffentlicht haben.
Zur Prüfung haben wir an die Kanzleien einen Fragebogen versendet. Dieser enthielt Fragen zu den Kosten und zur Form einer Erstberatung. Wir haben uns nach erstrittenen Urteilen und abgeschlossenen Vergleichen erkundigt.
Über die tatsächliche Beratungsqualität können wir keine Aussage treffen, da wir sie nicht überprüfen können. Voraussetzung für unsere Empfehlung ist vielmehr grundsätzlich, dass die Kanzlei mindestens ein Urteil und zehn Vergleiche mit mehr als fünf Banken vorweisen kann. Für den Verbraucher positiv ist aus unserer Sicht, wenn er eine kostenlose und schriftliche Ersteinschätzung bekommt. Die Anwälte, die das anbieten, finden sich in der Empfehlungsliste ganz oben. Die Kanzleien, die keine kostenlose Erstberatung anbieten, sind entsprechend der Beratungskosten in absteigender Reihenfolge sortiert.
Auch wenn sich daraus keine Erkenntnis über die tatsächliche Qualität der Beratung ableiten lässt, bewerten wir es als positiv, wenn in der Kanzlei Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht arbeiten.
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