Vor fünfeinhalb Jahren musste Volkswagen öffentlich zugeben, die behördliche Abgasmessung ausgetrickst zu haben: Die Autos funktionieren auf dem Prüfstand wie Musterschüler, auf der Straße aber stoßen sie ein Vielfaches der Grenzwerte aus. Über eine Viertelmillion Dieselfahrer wurden entschädigt, andere kämpfen noch. Auch gegen Hersteller wie BMW und Daimler.
Viele rechtliche Fragen sind geklärt, einige Ansprüche schon verjährt. Umstritten sind nach wie vor die „Thermo-Fenster“, die bei bestimmten Temperaturen die Abgasreinigung des Fahrzeugs ausschalten.
Wir ziehen eine kleine Bilanz: Welche Prozesse sind abgeschlossen und welche laufen weiterhin? Und wer sollte vielleicht noch die Chance nutzen zu klagen?
1. Musterklage gegen VW endete mit Vergleich
Um den Skandal juristisch leichter aufzuarbeiten, führte der Gesetzgeber 2018 die Musterfeststellungsklage für Verbraucher ein. Der Verbraucherverband VZBV führte stellvertretend für viele VW-Besitzer den Prozess um den Betrugsmotor EA189. Das Verfahren endete im Februar 2020 mit einem Vergleich. Vorteil: Volkswagen zahlte an rund 245.000 Verbraucher Summen zwischen 1.350 und 6.257 Euro. Insgesamt flossen mehr als 750 Millionen Euro. Der Nachteil: Die rechtlichen Fragen blieben ungeklärt.
2. Ein Einzelkläger erreichte das Grundsatzurteil
Wer rechtschutzversichert war, konnte ohne Kostenrisiko selbst klagen. Bis vergangenen Oktober nahmen das über 290.000 Versicherte in Anspruch – die Streitwerte summieren sich auf 7 Milliarden Euro. Ein paar Fälle gelangten zum Bundesgerichtshof (BGH): Der entschied im Mai 2020 im Fall von Kläger Herbert Gilbert: Volkswagen muss Schadensersatz zahlen, darf für gefahrene Kilometer jedoch eine Nutzungsentschädigung abziehen (Az. VI ZR 252/19). Auf dieser Grundlage hat sich VW seitdem mit über 30.000 Klägern geeinigt.
3. Ausgang der Myright-Sammelklagen ungewiss
Wer sich der Myright-Sammelklagen angeschlossen hat, muss sich gedulden bis mindestens Ende 2022, da der Rechtsdienstleister auf ein Urteil des BGH warten muss. VW ist nicht zu Vergleichsgesprächen bereit, hält das Geschäftsmodell für unzulässig. Die Situation ist schwierig, da ein möglicher Schadensersatz mit jedem gefahrenen Kilometer weniger wird.
4. Urteil für Audi-Diesel steht bevor
Es gibt auch Audi-Modelle, in denen der Autobauer aus Ingolstadt den VW-Betrugsmotor EA 189 verbaut hat. Hier steht ein BGH-Urteil unmittelbar bevor. Allerdings erklärte der Vorsitzende Richter in der mündlichen Verhandlung vor einer Woche, er sehe keinen Nachweis, dass Audi selbst betrügerisch vorgegangen sei. Verkündet wird das Urteil kommende Woche (Az.VI ZR 505/19).
5. Prozesse gegen VW wegen anderer Motoren
Auch der Nachfolgemotor EA 288 steht im Verdacht, eine illegale Abschalttechnik einzusetzen: Rund 10.000 Diesel-Fahrer klagten einzeln, bislang fielen 1.600 Urteile – ganz überwiegend zugunsten von Volkswagen. Vereinzelt verliert der Konzern aber auch wie Anfang Februar vor dem Landgericht Karlsruhe. Das stellte eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung bei einem Skoda Yeti fest (Az. 9 O 93/20), das Urteil ist aber nicht rechtskräftig. Auch das Oberlandesgericht Köln verurteilte Volkswagen am 19. Februar 2021 zu Schadensersatz, weil der Hersteller im Motor EA 288 eine „prüfstandoptimierte Umschaltlogik“ eingebaut hat (Az. 19 U 151/20). Klarheit wird es erst nach einem BGH-Urteil geben.
Wie die Lage bei weiteren Audi-Motoren ist, wie bei Daimler und BMW und warum es gut ist, wenn Dein Auto vom Kraftfahrtbundesamt zurückgerufen wurde, liest Du hier in der Fortsetzung.